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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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dann …«
    »Mann Gottes«, brummte Van, »was kannst du winseln. Denkst du etwa …«
    »Schweig, Nigger«, zischte ich. »Halt die Fresse, oder …«
    »Wie?« fragte er. »Denk dran, daß …«
    »Hört auf, ihr beiden«, fuhr Lionne kühl dazwischen. »Ihr stellt euch an wie zwei kleine Kinder.«
    »Was für einen Sinn hat es, wenn ich eure Kranken heile?« fragte ich mürrisch. »Sagt mir, verdammt noch mal, welchen Sinn das hat! Ich helfe euch doch in Wahrheit gar nicht, auch wenn ihr das vielleicht glaubt. Alle die Burschen, die ich geheilt habe, wären besser dran gewesen, wenn sie tot wären. Die Blockade ist nicht zu durchbrechen, und inzwischen krepiert ihr hier am Hunger. Es ist so dumm, so verdammt dumm, daß ich mich schon ekle. Jeder Weißer ist eine Weißnase, ein Stück Dreck. Aber ihr siecht dahin, habt immer noch eine große Schnauze dabei und haltet euch für die Größten.«
    »Ihr folgt uns nach«, sagte Van müde. »Ihr folgt uns eher nach, als ihr das für möglich haltet. Vielleicht erwischt sie es sogar noch schneller, verdammt noch mal.«
    »Glaubst du etwa, ich sei scharf drauf, daß man euch aushungert?« sagte ich so kalt, daß es mich selbst überraschte. »Ich war drei Jahre alt, als Theodore euch in diese Lage brachte.«
    »Glaubst du etwa, wir sind dir dankbar dafür, daß du ihn umgebracht hast?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte ich zornig. »Ich habe es nicht für euch getan, sondern für mich selbst. Glaub bloß nicht, daß ich es tat, um von euch Dank zu ernten. Verdammt, Theodores Tod hat politisch nichts verändert, und ich wußte das vorher. Aber es ging mir um den Mann selbst. Er war bereits alt, und es lauerten genügend andere auf seinen Posten, so daß sich für euch wirklich nichts verändert. Aber ihr, ihr mußtet schon in den alten Zeiten unbedingt abseits von den Weißen leben, was?«
    »Es war unser Recht, das zu tun. Das Recht unserer Eltern«, sagte Van schwer. »Wir wollten uns absondern, unseren eigenen Staat haben, weil mit den Weißen nicht zusammenzuleben war. Schwarz auf seinem Gebiet, Weiß auf seinem Gebiet. Das war unser Plan.«
    »Eure Väter hätten sich an den Fingern abzählen können, daß man euch nach den Krawallen vergessen würde«, sagte ich. »Nachdem ihr die Städte erobert hattet, hättet ihr besser eure Gehirne gebraucht, verflucht noch mal. Welcher Idiot hält schon Städte besetzt und schreit dann: Nun werden wir hier leben, abseits von den Weißen?«
    »Wenn der Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre, hätten wir es geschafft«, sagte Van stur. »Wir hätten es geschafft. Wir hatten ein paar Städte, okay. Wir hatten zwar kein landwirtschaftlich nutzbares Gebiet, aber wir hatten ein paar wichtige Industrien in der Hand, die wir selbst hätten wieder in Gang kriegen können. Wäre der Weltkrieg nicht gekommen, hätten sie uns schon Nahrungsmittel für unsere Produkte geben müssen …«
    »Ja, schieb es nur auf den Krieg«, brummte ich nicht sehr überzeugend. »Worüber ärgerst du dich eigentlich, Nigger? Du hast wahrscheinlich noch Glück gehabt. So wie die Dinge nun liegen, krepiert langsam die halbe Welt. Eine Hautfarbe schützt niemanden mehr.«
    »Und warum sollten wir da wieder Zusammenarbeiten?« fragte Lionne in einem Tonfall, der entschiedener klang als alles, was sie vorher gesagt hatte.
    »Wieder?« keuchte ich verblüfft. »Werde doch mal wach, Mädchen! Wir haben noch niemals zusammengearbeitet.«
    »Ein bißchen schon«, sagte sie. »Ungefähr zwanzig Jahre vor den Krawallen. Es gab da etwas Verbesserung, aber es ging auch rasch wieder bergab, als die Rassisten mit ihren Attentaten auf unsere Führung begannen. Die – weiße – öffentliche Meinung hat diese Morde heruntergespielt, was einige unserer jungen Leute veranlaßte, zurückzuschlagen. Das führte zu einem gewissen Schneeballeffekt und endete in den Krawallen. Sie machten definitiv unserer Hoffnung auf Zusammenarbeit ein Ende.«
    »Was meinst du damit: unserer Hoffnung?« fragte ich brutal. »Glaubst du wirklich, daß es je eine Zusammenarbeit zwischen Niggern und Weißnasen geben könnte?«
    »Ja«, sagte sie kühl.
    »Woher weißt du eigentlich von diesen Geschichten?« fragte ich schnell, beinahe entschuldigend, denn ich wäre lieber gestorben, als ihre Richtigkeit zuzugeben.
    »Ich habe einiges gelesen«, sagte sie, »ich …«
    »Mein Vater hat mir gesagt, er habe New York brennen sehen«, unterbrach Van sie bedächtig, beinahe träumerisch. »Er hat

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