Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
Trunkenbold oder ein Dieb sie zur Hure gemacht. Eine unehrenhaft gezeugte Waise fand selten ein anderes Auskommen.
    Mit einem Mal wurde ihm deutlich, wie gering seine Macht in Wahrheit war. Was zählte es schon, das Kind einer Hure wie eine Hure zu behandeln? Was zählte es, dass Estrella ihm – in Unkenntnis anderer Zuneigung – ergeben, ja hörig war?
    Mechanisch streifte er seine Kutte ab, sah seine Narben im Licht der Fackel leuchten und meinte Sidonias Liebkosungen auf seiner zerschnittenen Brust zu fühlen. Bilder der letzten Nacht mit ihr tauchten auf. Die Erinnerungen verwandelten sich in drängende Lust. Die Plötzlichkeit und Unbedingtheit seiner Begierde erschrak ihn.
    Nicht, dass ihm Sidonia irgendetwas bedeutete – aber zu seinem Widerwillen sah er ihr Gesicht vor sich. Dieser Ausdruck von aufrichtigem Hass, als sie das Messer hochgerissen hatte. In diesem Moment hatte sich Begehren in ihm geregt. Die Möglichkeit, durch ihre Hand zu sterben, hatte ihn auf das Höchste erregt. Sidonia hatte es gewagt, den Löwen herauszufordern. Ein Weib. Noch dazu ein Weib, das sein Herz an Gabriel Zimenes gehängt hatte.
    Er berührte Estrella zwischen den Schenkeln. Als sie aufstöhnte, riss er ihren Kopf an den Haaren zurück.
    »Kein Ton«, zischte er.
    »Wie du willst, Herr«, seufzte sie.
    Aleander betrachtete sie angewidert. Estrellas Hingabe war reizlos. Er packte die brennende Fackel und fuhr damit über ihren Po. Estrellas Schmerzenslaute waren echt, genau wie der Geruch von verbrannter Haut. Roh vollzog er den Akt. Nur schwach erregt ergoss er sich zwischen den geschundenen Schenkeln des Mädchens. Er ließ sie in der Bußkammer zurück, entschlossen, einen seiner nachmittäglichen Befehle rückgängig zu machen: Sidonia sollte leben.
    Leben, um neben Fadrique auf einem Scheiterhaufen zu sterben. Ohne die Gnade der Garotte. Dem Eisenknebel, mit dem der Henker reuige Ketzer, vor allem Weiber und Kinder zu erdrosseln pflegte, um ihnen den Feuertod zu ersparen. Sidonia sollte alle Qualen durchleiden.
    Die Kunst der körperlichen Liebe hatte ihren Reiz für ihn verloren, sie verband ihn zu stark mit dem Leben unwürdiger Kreaturen. Sie war nichts weiter als ein Dutzend Stellungen und ein paar Raffinessen, wohingegen die Folter tausend Varianten hatte. Sidonia würde sie alle kennen lernen.

13
    Noch in der Nacht hatten Padre Fadrique und Sidonia das Tal verlassen. Schweigend war der angebliche Hirte mit einer Laterne vorangegangen. Er teilte mit seinem Stab das Dickicht und reichte ihr dessen Ende, um sie über Felsspalten zu ziehen. Seine Miene – soweit Sidonia sie im Schein der Laterne erkannte – blieb ausdruckslos. Er gab knappe Anweisungen, warnte vor Abstiegen, schritt rastlos voran, bis er am Morgen seine Fellweste abstreifte, sie zusammenrollte und darauf einschlief. Auch die nächsten Nächte durchwanderten sie schweigend. Bei Morgendämmerung bereiteten sie sich Suppen aus Quellwasser, zerstoßenen Kichererbsen und Kräutern zu und schliefen, bis die Dämmerung einsetzte und die Hitze des Tages nachließ.
    Sidonia musste an die Tarotkarte des Eremiten denken. Fadrique war so in sich gekehrt, dass sie keine Fragen zu stellen wagte. Schon gar nicht über den Abt Simuel, der sich in den Tod gestürzt hatte, um sie und das Tal der Ketzer nicht zu verraten. Die Schuld lastete schwer auf ihr. Sie war dankbar für die Mühen des Weges, die sie vom Denken abhielten.
    Es ging über abgelegene Pässe bis zum westlichen Ufer des Embalse del Ebro. Über dem Bergsee kreisten Gänsegeier, Dammwild trank an seinen Ufern, Wolfsgeheul füllte die Schluchten. Eine Gratwanderung entlang weiterer Seen schloss sich an. Am fünften Morgen stiegen sie zu einem See mit Namen Riano hinab und legten an seinem Ufer Rast ein.
    Müde zog Sidonia ihre dreckverkrusteten Reitstiefel aus. Ihre Füße hatten einige Blasen, die Fadrique mit Wollfett und zerdrückten Ringelblumen bestrich und mit Flachspflastern verband. Blutige Zehen oder Fersen blieben ihr dank des weichen Oberleders erspart. Ja, ihr Vater hatte sich beim Kauf von Waren nie lumpen lassen. Die Erinnerung an ihre Familie versetzte ihr einen dumpfen Stich, aber sie war zu erschöpft und Köln zu fern, um darüber nachzudenken.
    Mechanisch schichtete Sidonia dürre Äste und Reisig zu einer Pyramide, schlug Feuerstahl und Stein aneinander, bis Funken sprangen und dem darunter liegenden Zunderschwamm ein Glimmen entlockten. Vorsichtig pustete sie die Glut zu einem

Weitere Kostenlose Bücher