Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Rosalia?«
Sidonias Blick war so hochmütig wie zu ihren besten Zeiten als Kaufmannstochter. In Wahrheit aber flehte sie, dass ihre Schwiegermutter wie in Köln verabredet Nachrichten an den Palacio Löwenstein geschickt hatte. Sie würden den Beweis liefern, dass sie keine Lügnerin war.
Trotzdem war sie verblüfft, als die Magd nickte. »Sí! Aber ja. Zwei Briefe sind in den letzten Monaten gekommen. Für Sidonia van Berck.« Sie fiel wieder auf die Knie. »Oh, Señora! Verzeiht. Wir konnten doch nicht ahnen ... Ein Sarg – ich dachte, es wäre unser Herr.«
Sidonia streckte huldvoll die Hand aus und zog das Mädchen hoch. »Keine Entschuldigungen. Ich wählte diese ungewöhnliche Form der Anreise, weil Adrian von Löwenstein Feinde in dieser Stadt hat, nicht wahr?«
»Ja«, stammelte die Magd. »Sein eigener Bruder ... Aleander will ihn für tot erklären lassen. Wir konnten ihm bislang den Zutritt zum Haus verwehren. Solange sein Bruder noch als vermisst gilt ...« Sie brach verwirrt ab. »Als dann heute Nachricht eintraf, wir würden in Kürze etwas über Adrian von Löwenstein erfahren, hofften wir ...«
»Nachricht von wem?«, fragte Sidonia scharf.
»Das wissen wir nicht. Der Brief trägt keine Unterschrift, er kommt aus Burgos. Wir hatten so gehofft, dass der Conde selbst zurückkehren würde ... Dass er ... Lebt er?«
Die Dienstboten des Ritters schienen tatsächlich überzeugt, dass ihr Herr noch lebte! War das nicht der Grund für ihre Reise gewesen? Warum freute sie sich nicht? Sidonia schluckte. Nun, die Nachricht kam zu überraschend, passte nicht zu ihren drängendsten Gefühlen, die nichts mit Adrian von Löwenstein zu tun hatten. Sie schämte sich, als sie sah, dass das Mädchen vor ihr aufrichtig um den Ritter trauerte. Kein Dienstbote ihres Vaters hätte solche Gefühle bei dessen Tod empfunden, höchstens ein Bedauern über den Verlust seiner Stellung. Adrian von Löwenstein musste ein guter Mann und Herr gewesen sein. Gewesen sein?
Erschöpft sagte Sidonia schließlich. »Ich weiß es nicht, mein Kind. Darum bin ich hier.«
Die Magd fasste Vertrauen. »Aber wann, wo, Señora, haben Sie ihn geheiratet? Wir wussten, dass der Conde eine Braut in Köln hat, aber eine Frau? Seit wann ...« Sie brach ab in dem Bewusstsein, dass einer Magd solche Fragen nicht zustanden. Immerhin, so dachte Sidonia erleichtert, schien das Mädchen nichts von Adrians heimlicher Hochzeit mit Mariflores zu wissen, sonst wäre ihr Täuschungsmanöver sofort aufgedeckt worden.
»Es war keine übliche Trauung«, antwortete Sidonia zögernd. Hilfesuchend schaute sie sich nach Goswin um. Seine Miene verriet Erstaunen und Widerwillen. »Der Graf unterschrieb die Urkunde, bevor er in die Neue Welt aufbrach, und ich zeichnete das Dokument in Köln gegen.«
Die Magd erhob sich lebhaft von den Knien. »Aber ja! Nun weiß ich, was der Conde meinte, als er vor seiner Abreise sagte, er werde bald heiraten. Und er schien so glücklich, so glücklich!«
Sidonia senkte kurz den Blick.
»Oh, Señora, ich meine Condesa Löwenstein, er muss leben! Ich werde gleich morgen Kerzen für ihn entzünden. Bei der Mutter des Apostels Jakob, gleich gegenüber in der Kirche Maria San Bartholomé! Der Himmel hat Euch geschickt, Condesa, der Himmel.«
Die Magd griff nach Sidonias Hand und küsste sie. Sidonia ließ es widerwillig geschehen. Es war schrecklich, dieses Mädchen anzulügen. Es war überhaupt schrecklich, die Lüge über ihre Ehe in der Öffentlichkeit zu wiederholen. Wie einfach hatte sie sich das vorgestellt, als sie damals aus Köln fortritt! Aber nun war sie eine andere. Sie wollte nicht die Frau des Ritters sein, weder auf dem Papier noch in der Wirklichkeit.
»Ich bin müde von der Reise. Kannst du mir ein Zimmer zeigen? Meine Begleiter brauchen ebenfalls Unterkunft. Der Maragato wird bei seinen Tieren bleiben wollen. Den Soldaten bringt in einer Kammer unter.«
Die Magd nickte. Mit einem letzten Blick auf den Sarg verschwand sie unter den Arkaden, die den Innenhof säumten.
Goswin hatte den Knechten bedeutet, den Sarg zu entfernen. Jetzt drehte er sich mit zweifelnder Miene zu Sidonia um. »Ich fürchte, dieser Ort ist nicht sicher. Die Dienstboten werden schwatzen. Du kannst eine Menge Fragen nicht beantworten, und die Lüge über deine Ehe ...« Er schüttelte unwillig den Kopf.
Sidonia reckte das Kinn. »Es ist keine Lüge, Goswin. Ich bin die Frau Adrians von Löwenstein, wenigstens auf dem Papier.«
»Das ist
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