Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
hartnäckige Gotteslästerin wie du nicht!«
Lunetta kniete sich neben das Stroh. »Du willst, dass ich eine Karte ziehe?«
»Ich will, dass du mir verrätst, wo der Padre hin ist und wer ihm zur Flucht verhalf!«
Lunetta mischte schweigend die Karten. Dann schaute sie dem Mönch ins Gesicht. »Bist du bereit?«
»Elende Ketzerin!«
Lunetta zog ein Bild, betrachtete es und drehte es um. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. Sie stand auf und hielt Aleander die Karte vor das Gesicht.
»Ein Ritter?«
»Der Ritter der Schwerter, ja.«
Aleander tat, als schaudere er. »Oh, wie ich mich fürchte. Er schwingt voll Zorn das Schwert, sein Pferd stürmt dem Horizont entgegen. Wird er kommen, um mich zu töten?«
»Rechne mit einem Angriff.«
»Durch wen? Der Padre ist kein Ritter! Was sagen die Karten über Fadrique?«
Zögernd zog Lunetta ein zweites Bild. Verblüfft betrachtete sie es und schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich«, flüsterte sie.
»Gib mir die Karte!« Aleander schnappte danach. Was er sah, verblüffte selbst ihn. Ein Mann und eine Frau gingen aufeinander zu, in den Händen trugen sie Messkelche. Sie streckten ihre freien Hände aus, um einander zu berühren.
»Was soll das sein? Ein Liebespaar?«
»Es ist ein Liebespaar, ja«, sagte Lunetta. »Aber das ist nur ein Bild.«
»Wie klug du bist«, spottete der Dominikaner.
»Es ist ein Bild dafür, dass das wichtigste Werk die Liebe ist.«
Aleander schnaubte verächtlich. »Ich merke, Padre Fadrique war wirklich dein Lehrer. Und? Wo steckt er?«
Lunetta schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann es dir nicht sagen.«
Wieder führte der Mönch die Fackel an ihr Gesicht. Diesmal wich Lunetta nicht zurück. »Ich weiß wirklich nicht, wo er ist. Aber diese Karte bedeutet, dass er auf dich zukommen wird. Er sucht nach Versöhnung.«
»Ganz der Padre, er ...«
Das Rasseln des Türriegels unterbrach ihn. »Was ist?«, schrie Aleander wütend.
Ein Soldat der Santa Hermandad stand in der Tür. »Herr, es ist jemand in Eurer Schreibstube.«
»Wer sollte mich zu dieser Stunde aufsuchen?«
Lunetta zog ihr Hemd vor der Brust zusammen. »Es ist Padre Fadrique«, sagte sie, bevor der Soldat den Namen aussprechen konnte. Ungläubig schaute der Dominikaner dem Mann ins Gesicht. Der Soldat nickte.
9
Merkwürdigerweise war es mehr ein Gefühl der Niederlage als des Triumphes, das in Aleander aufstieg, als er den Padre vor seinem Schreibtisch stehen sah.
Fadrique blätterte in dem Buch von Mariflores.
»Studierst du deine eigenen Lügen?«
Fadrique nahm das Buch hoch und las laut: » Es ist leichter, alle zu lieben, als einen. Die Liebe zur ganzen Menschheit kostet nur Worte; die Liebe zu einem Menschen fordert Opfer! Nennst du das eine Lüge, Aleander?«
»Nein, Geschwätz. Gleichwohl, ich freue mich, dass du zurückgekehrt bist. Auch wenn wir dich bald gefunden hätten.«
Er umrundete hinkend seinen Schreibtisch und nahm in seinem Lehnstuhl Platz. »Warum hast du eine Flucht versucht, um nun zurückzukehren?«
Fadrique seufzte. »Ich konnte dir das, was ich nun zu sagen habe, nicht vor dem Bischof mitteilen.«
»Wieder Geschwätz, alter Mann. Wer hat dir übrigens bei der Flucht geholfen?«
»Ein Pferd.«
»Wer stellte das Pferd bereit?«
»Ich bin nicht gekommen, um über Kleinigkeiten zu reden, ich habe dir ein Angebot zu machen.«
Aleander griff nach seinem maurischen Dolch und reinigte sich mit seiner Spitze die Nägel. »Du bist kaum in der Position, mit mir zu verhandeln. Also, wer half dir?«
»Ich komme mit einem Angebot, das du nicht ablehnen kannst.«
Aleander warf den Kopf zurück und lachte. »Lunetta sah es in den Karten! Du willst dich versöhnen! Kennst du mich so wenig, dass du annimmst, ich wäre ein Mann des Friedens? Ich halte es mit dem Alten Testament: Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
Fadrique legte das Buch zurück auf den Tisch.
»Es heißt auch: Die Rache ist mein, spricht der Herr.«
Aleander rammte den Dolch in die Platte seines Schreibtischs. »Der Herr bin ich! Lehrtest du uns nicht, an die Freiheit der menschlichen Vernunft zu glauben? Den Menschen als Mittelpunkt der Schöpfung zu sehen, der frei ist zu tun, was immer er will?«
»Kein Mensch ist frei von Bindungen an andere. Und du bist ein Sklave deiner Vergangenheit.«
Aleander lehnte sich bequem zurück. »Bald ist meine Vergangenheit für immer vorbei. Du wirst brennen wie eine Fackel. Hast du irgendwelche Wünsche für dein letztes Gebet?«
»Ich
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