Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
werde für deine Seele beten, mein Sohn.«
»Du bist bemerkenswert überheblich, Fadrique.«
»Dann haben wir etwas gemein.«
»Wir haben nichts miteinander gemein, hörst du? Nichts.«
Fadrique zögerte kurz, dann nahm er einen neuen Anlauf. »Ich weiß, wo sich der Schatz deines Bruders befindet, und biete ihn dir gegen das Leben Lunettas.«
Aleander lachte hell auf. »Und das ist alles? Nein, Fadrique, ich werde dich nicht gegen Geld freilassen. Dein Tod und ihrer sind mir weit mehr wert.«
»Mehr als dein Leben?«
Aleander blinzelte. »Trägst du eine Waffe bei dir? Das wäre neu.«
»Ich sagte dir bereits, dass ich dir vor dem Bischof unmöglich sagen konnte, was ich nun zu sagen habe: Ich besitze Urkunden genug, meine Taufbescheinigung und die deiner Mutter, aus denen hervorgeht, dass wir jüdischer Abstammung sind. Du selbst verteidigst die Ansicht, dass dies genügt, um den Feuertod zu sterben. Ich habe diese Urkunden an einem Ort versteckt, von dem der Bischof erfahren wird, sobald Lunetta morgen auf den Richtplatz geführt wird.«
Aleander erbleichte. »Das würdest du nie tun! Dein Glaube verbietet dir solch einen Verrat. Hast du nicht ein Leben lang beteuert, jeden Menschen schützen zu wollen, der aufgrund seiner Religion verfolgt wird? Am Baum des Schweigens reift die Frucht des Friedens. Ist das nicht der lächerliche Schwur deines hieronymitischen Geheimbundes? Du kannst doch unmöglich dein Lebenswerk verraten! Auf der Schwelle des Todes!«
»Es ehrt mich, dass du meine Glaubensgrundsätze für so unerschütterlich hältst.«
»Ich halte sie für dumm und für eine Bedrohung unserer allmächtigen Kirche.«
»Wäre die Kirche allmächtig, gäbe es keine Bedrohung!«
»Sie wird allmächtig sein, sobald ich dich und deinesgleichen vernichtet habe.«
Fadriques Rücken straffte sich. »Aleander, es waren weder meine Glaubensgrundsätze noch ein Schwur, die mich stets davon abhielten, deine Herkunft zu verraten.«
»Was sonst, du Heiliger? Du Mann ohne Sünde!«
»Ich bin nie ein Heiliger gewesen. Ganz im Gegenteil. Aleander, ich bin dein Vater. Es tut mir leid, es dir mitteilen zu müssen, aber in deinen Adern fließt reinjüdisches Blut – falls es so etwas überhaupt gibt. Du zumindest scheinst fest davon überzeugt. Töte mich, aber lass Lunetta leben.«
10
Schwach glomm ein ewiges Licht zu Füßen der Jungfrau Maria. Flüchtig betrachtete Sidonia die Figur. Es war eine schlanke Gestalt im gotischen Stil. Sie unterschied sich von anderen Madonnenbildern dadurch, dass sie lächelnd den Gottessohn stillte.
Sidonias Augen gewöhnten sich an das Dunkel im Kirchenschiff. Suchend schaute sie sich nach allen Seiten um und entdeckte vor einem Beichtstuhl einen betenden Mönch. Rasch zog sie sich in den Schatten einer Seitenkappelle zurück. Verflucht, warum musste genau jetzt ein Mönch die stille Zwiesprache mit Gott suchen! Wo war Gabriel? Hatte der Mönch ihn vertrieben?
Der Mann im Habit erhob sich von den Knien und schritt auf den Aufgang zu. Er bekreuzigte sich vor der Marienfigur. Sidonia seufzte lautlos. Dem Himmel sei Dank, gleich würde dieser lästige Mensch verschwinden. Doch stattdessen drehte er sich um und rief flüsternd einen Namen: »Sidonia?«
»Gabriel!« Sidonia lief aus der Seitenkappelle direkt auf den Mönch zu. Der streifte seine Kapuze ab, und Sidonia erkannte im Schein des ewigen Lichts das schöne Gesicht des Spaniers. Seine Augen, die gerade, schmale Nase, der wundervolle Mund, die schwarzen Locken. Schluchzend umarmte sie seine schlanke Gestalt.
»Oh, Gabriel.«
Er legte behutsam die Arme um sie. »Was macht deine Wunde?«
»Nichts, nichts. Sie heilt gut. Ich will nicht über Wunden reden. Gabriel. Umarme mich, küsse mich.«
Der Körper des Mannes versteifte sich. Mit sanftem Druck schob Gabriel Zimenes Sidonia von sich.
Sie schüttelte den Kopf. »Bitte, lass mich nicht los! Ich kann dir alles erklären. Jedes Missverständnis. Hat Goswin dir nichts gesagt?«
»Doch, er hat mir vieles erklärt. Ich kenne die Wahrheit.«
»Sag, dass du mich trotz allem, was ich getan habe, nicht hasst! Trotz all der Lügen, trotz meiner Irrtümer, trotz ...«
»Ich hasse dich nicht, Sidonia. Es ist grauenhaft, was Aleander dir angetan hat. Ich bete zu Gott, dass du es eines Tages vergessen kannst und einen Mann findest, der deiner Liebe wert und deiner Leidenschaft gewachsen ist.«
»Ich habe ihn längst gefunden und möchte ihn endlich küssen. Bitte!«
Gabriel
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