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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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dass jeder die Heilige Schrift lesen und verstehen lernt!«
    Die Stimme gehörte Lambert, Sidonias Bruder.
    »Ich wette, nicht einmal der Priester versteht, was der Chor da singt. Wie ich die feisten Kuttenhengste und Pfaffenärsche verachte ...«
    »Steht auf und folgt mir«, unterbrach die Stimme eines Stockknechts das Geflüster. »Was ich gerade gehört habe, genügt, um euch im Frankenturm festzusetzen!«
    »Aber«, begann Lambert zu protestieren, als ein Stockhieb ihn zum Schweigen brachte.
    »Halt’s Maul, du Erzketzer. Gegen dich liegt eine Anzeige des Heiligen Tribunals vor. Endlich haben wir dich!«
    Lunetta sah den Saum einer weißen Kutte und wusste, wer für die Anzeige gesorgt hatte. Der Löwe des Glaubens hatte wieder zugeschlagen. Nach Kinderart drückte sie die Hände vor ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen, so als könne sie das vor der Entdeckung schützen.
    Anders als auf dem Seil holte sie diesmal nicht die Erinnerung an Flammen und Brandgeruch ein. Diesmal schmeckte sie Blut in ihrem Mund und sah Sidonias Gesicht. Lunettas Herz schlug in rasendem Takt.
    Während die Gemeinde im Dom das Kyrieeleison anstimmte, wurden die beiden Männer abgeführt.
    Als der Priester seine Predigt begann, atmete Lunetta auf und zog Meister Siebenschöns Päckchen aus der Rocktasche. Sie schlug das Wachstuch auf und entnahm ihm bunt bemalte Karten. Ein Tarotdeck! Rasch zählte sie die Karten. Es waren 56 Stück. Ein Satz der so genannten kleinen Geheimnisse. Lunetta biss sich auf die Lippen. Nun ja, Meister Siebenschön hatte nicht wissen können, dass ihre 22 großen Trümpfe, die zu einem vollständigen Spiel gehörten, noch im Haus van Berck lagen. Gleichwohl: Mit den 56 kleinen Trümpfen, die in Schwert-, Münz-, Stab-und Kelchkarten aufgeteilt waren und mit diesen Symbolen die Stände der Kämpfer, der Händler, der Bauern und Priester bebilderten, ließ sich das Schicksal durchaus ebenfalls deuten.
    Während die Gemeinde dem Gottesdienst lauschte, zog Lunetta ein Bild. Die Frage, die sie dabei stellte, galt nicht ihrem eigenen Schicksal, sondern dem Sidonias. Mit Entsetzen sah sie die Karte der zehn Schwerter: Ihre Klingen durchbohrten den Rücken eines am Seeufer liegenden Mannes. Etwas Entsetzliches musste Sidonia geschehen sein. Der Tod aller Hoffnung oder Schlimmeres. Lunetta faltete die Hände zum Gebet. Die Domgemeinde sprach das Credo. Das Mädchen sog den Duft brennender Altarkerzen ein.
    Sie erinnerte sich der Worte ihrer Mutter, die sie im Deuten der Karten unterwiesen hatte: Es gibt keine schlechten Karten, und die guten tragen stets eine Warnung in sich. Padre Fadrique sagt, dass Licht und Finsternis eins sind. Jedem Ende wohnt ein Anfang inne, und in jedem Anfang ist das Ende bereits eingeschlossen. Nur wenn etwas vergeht, kann Neues entstehen.
    Immerhin, tröstete Lunetta sich weiter: Die Karte der zehn Schwerter war die kleine Gegenkarte zur großen Trumpfkarte des Teufels. Mit einem Gewaltakt musste es Sidonia gelungen sein, sich dem Zugriff des Mönches zu entziehen, der gerade ihren Bruder ins Verderben gerissen hatte.
    Lunetta lüftete das Altartuch und betrachtete die Schwertkarte im Schein der Opferkerzen. Jetzt erkannte sie das Licht am Horizont des Sees und hoffte, dass es Rettung für Sidonia gab. An den Ufern ihres bisherigen Lebens musste sie gescheitert sein, doch vor ihr lag – wie auf dieser Karte – vielleicht das Meer des Lebens.

26
    Gabriel Zimenes zog an dem Seil, das er über die Gartenmauer geworfen hatte, es straffte sich, die Eisenkralle hatte auf der anderen Seite Halt gefunden. Noch einmal drehte er sich zu dem Karren und dem Pferd um. Das Pferd zupfte an einem Büschel Löwenzahn. Behände erklomm Gabriel am Seil die Mauer und schwang sich hinüber. Er landete in einem Gebüsch, ging in die Hocke und spähte in den Garten.
    »¡Madre de Dios!« , zischte er, als er Sidonias zusammengesunkene Gestalt auf einer Bank erblickte. Im letzten Licht der Abendsonne blinkte das Messer, das ihrer Hand entglitten war. Blut tropfte von ihrem linken Handgelenk herab.
    Mit einem Sprung befreite er sich aus dem Gebüsch und huschte zu der ohnmächtigen Sidonia hinüber. Er riss einen Zweig vom Pflaumenbaum und trennte mit seinem Degen einen Streifen Stoff von Sidonias Untergewand ab. Er presste den Zweig auf ihren Arm und schlang den Stoff darum, bis die Blutung zum Stillstand kam. Prüfend betrachtete er den waagerechten Schnitt, den sie sich zugefügt hatte.
    »Nicht schräg

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