Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
genug, albernes Kind«, murmelte er. Behutsam bettete er Sidonia auf die Bank. Suchend schaute er sich im Garten um, entdeckte ein Kräuterbeet und eilte hinüber. Mit einem Busch Pfefferminze und Pfefferkraut kehrte er zur Bank zurück und zerrieb die Blätter vor Sidonias Gesicht.
»Komm schon, wach auf«, flüsterte er ungeduldig. Sidonias Mund entschlüpfte ein Stöhnen. Gabriel versetzte ihr eine Ohrfeige. Sidonia fuhr hoch. »Rühr mich nicht an, nie mehr«, rief sie voll Ekel und hob abwehrend die Arme.
»Ich halte dich nur so lange fest, bis du dich beruhigt hast. Der Verband darf nicht verrutschen.«
Sidonia riss die Augen auf und schaute in Zimenes’ Gesicht: »Du? Was machst du hier?«
»Alberne Mädchen davon abhalten, mit Messern zu spielen!«
Sidonia richtete sich in seinen Armen auf. Ihr schwindelte, sie betrachtete ihr verbundenes Handgelenk. »Ich bin nicht tot?«
Gabriel Zimenes lachte auf. »Nach diesem Schnitt hätte es Tage gebraucht, bis alles Blut aus dir herausgeflossen wäre, und du wärest dabei nur vor Langeweile umgekommen. Wen wolltest du mit dieser Posse ärgern? Hat dein Vater dir ein Kettchen verweigert oder ein Kleid?«
Wut verlieh Sidonia die Kraft, sich aus Gabriels Armen zu befreien. Sie wollte sich erheben, doch sie war zu benommen. Stöhnend ließ sie sich auf die Bank zurücksinken.
»Wo ist euer Brunnen?«, fragte Gabriel knapp. Verwirrt wies Sidonia in eine Ecke des Gartens.
»Hm«, machte Gabriel, »scheint weit genug von den heimlichen Gemächern und der Sickergrube entfernt.« Wenig später kehrte er mit dem Schöpfeimer zurück. »Steck deinen Kopf hinein und trink«, befahl er.
»Wasser?«
»Wasser! Es wird dein feuriges Temperament kühlen, Mars scheint dein Geburtsplanet zu sein.«
Zögernd tauchte Sidonia ihr Gesicht in das klare Nass und trank.
»Brav«, sagte Gabriel, als lobe er sein Reitpferd. »Du brauchst viel Flüssigkeit, um dein Blut zu ersetzen, und eine Mahlzeit. So, und nun, da ich dein Leben gerettet habe, hätte ich gern einen Lohn.«
Sidonia wich zurück, als er an sie heranrückte. »Komm mir nicht zu nahe«, flüsterte sie. Panik spiegelte sich in ihrem Gesicht.
Gabriel rückte an das andere Ende der Bank. »Gezierte Unschuld ist mir zuwider, ich will etwas anderes ...«
Sidonia unterdrückte einen Entsetzensschrei und fiel von der Bank auf die Knie. »Bitte nicht das, bitte ...«, flehte sie.
Gabriel schüttelte entgeistert den Kopf. »Es scheint, dass der Blutverlust mehr angerichtet hat, als ich dachte. Er trübt deinen Verstand. So anregend unser Tanz auf dem Fest auch war, ich habe keine Zeit, unsere Freundschaft zu vertiefen. Ich möchte eine Auskunft.«
Sidonia klammerte sich an die Bank. Der Stimme des Spaniers war anzuhören, dass ihn keine Begierde trieb. Sie hasste sich für ihre neue Furchtsamkeit. Würde sie von nun an in jedem Mann einen Feind oder Verführer sehen?
»Wo finde ich Lunetta? Ich bin gekommen, um sie fortzubringen.«
»Lunetta?« Mühsam hob Sidonia den Kopf. »Sie ist nicht mehr hier. Sie hat unser Haus schon vor einer Woche verlassen.«
»¡Maldito!« , entfuhr es Gabriel. Er erhob sich.
»Was willst du von ihr. Wer bist du? Und ...« Sie biss sich auf die Lippen, aber sie musste diese Frage stellen. »Und warum hast du mich vor dem Ritter gewarnt? Wieso hast du gewusst, dass er mich nicht glücklich machen würde?«
Gabriel schaute auf sie hinunter. »Hat er es denn versucht? Ist er tatsächlich hier?«
Sidonia wandte den Blick ab. Der Degenträger war der letzte Mensch, dem sie ihre Schande offenbaren wollte.
»Nein, er ist noch nicht da. Es ... es heißt, er sei tot«, brach es aus ihr hervor. Weinend schlug Sidonia sich die Hände vors Gesicht und schluchzte mit bebenden Schultern.
Gabriel kniete sich betroffen neben sie hin und streichelte ihr geflochtenes Haar.
»Du trauerst um einen dir unbekannten Mann? So heftig, dass du versucht hast, dich umzubringen? Was bist du für ein Kind. Das würde er nicht wollen, falls er noch lebt, glaube mir.«
Sidonia hob jäh ihr Gesicht: »Falls er noch lebt? Was soll das heißen? Ist er nicht beim Untergang seines Schiffs vor Spanien ertrunken?«
Sie wischte ihre Tränen fort, setzte sich auf und legte ihre Hand auf seinen Arm. Unwillkürlich umschloss Gabriel ihre Finger und beobachtete das lebhafte Mienenspiel der jungen Frau, das ihr besser zu Gesicht stand als ihr Zusammenbruch von eben. Sidonias Gedanken arbeiteten fieberhaft.
»Oh bitte, bitte
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