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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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gegen eine der Hängematten, die zwischen den Masten aufgespannt waren.
    Aus einer blickte ein aufgestörter Schläfer dem Paar nach, bis es das Achterkastell erreichte. Er sah, wie der Mönch seine Hand lüstern auf den Po des Pagen legte, als er ihn in ein Zelt schob. Gabriel Zimenes’ Miene versteinerte. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken. Er hatte gelernt, den Menschen zu misstrauen. Doch im Falle Sidonias war er nicht misstrauisch genug gewesen. Für ein Kind hatte er sie gehalten. Halten wollen! Ein ungestümes Kind, dessen Lebendigkeit ihn gefesselt und dessen Leichtsinn ihn erheitert hatte. Die Schlange hatte er erahnt, aber übersehen. Falsch, gestand er sich nüchtern. Die Schlange in ihr hatte ihn fasziniert und dazu verleitet, eine Bindung mit ihr einzugehen, von der er wusste, dass sie ihm kaum Nutzen einbringen würde. Wie sehr sie ihm schaden konnte, erkannte er jetzt: Sidonias Vertrauter war Aleander, und ausgerechnet ihr hatte er vom Schatz Adrians von Löwenstein erzählt, um mit seiner Verachtung für das Geld zu prahlen, seine moralische Überlegenheit zu beweisen! Sein Hochmut hatte ihm einen bösen Streich gespielt. Gabriel ließ sich aus der Hängematte rollen, sprang in Haken über Deck und schoss den Niedergang zu seiner Kabuse hinab.
    Eine Untersuchung seines Lederbeutels bestätigte seine Vermutungen: Sidonia hatte nach Hinweisen auf den Verbleib des Vermögens gesucht. Entdeckt hatte sie ein paar Maravedis und das indianische Amulett. So gierig war dieses Mädchen, dass sie sich sofort bedient hatte. So gewissenlos, dass sie gemeinsame Sache mit einem Mönch machte, der ein Mörder war, und so lüstern, dass sie sich ihm als Geliebte hingab. Hatte sie nicht ständig Anspielungen auf die Lust zwischen Mann und Weib gemacht? Hatte er nicht gespürt, dass sie keine unschuldige Jungfrau sein konnte? Hatte sie nicht gar versucht, ihn zu verführen, um ihn in ihre Hand zu bekommen? Und war er nicht sogar auf dieses Spiel eingegangen? Zorn würgte ihn. Die Welt ekelte ihn seit langem. Wieso hatte er seinen Seelenfrieden aufgegeben für so ein Geschöpf! Weil sie so leichtsinnig und vibrierend lebendig ist, wie du einst warst! Damals als Junge im Tal deiner Heimat, das dir so eng erschien und zu fern von den Abenteuern der Welt.
    Ärgerlich schob Zimenes den Gedanken beiseite. Es war nicht an der Zeit, die eigene Seele zu erforschen. Sie bedeutete ihm ohnehin nicht viel, darin lag sein Frieden. Es blieb zu hoffen, dass Sidonia nicht wusste, wo Lunetta sich aufhielt. Einer goldhungrigen Schlange wie ihr war der Mord an einem Kind zuzutrauen. Und dem Mönch Aleander ohnehin! Entsetzen durchfuhr ihn. Was, wenn die beiden das Mädchen längst getötet hatten?

9
    Bis in den Golf von Biscaya hielt der nordöstliche Wind an. Die Negrona kam gut voran. Dann setzte eine Flaute ein, während sich am südlichen Horizont Wolken bildeten. Das Schiff schwieg bis auf ein leichtes Knarren des Holzes. In der Biscaya kündigten Flauten oft das Aufeinandertreffen verschiedener Wetterzonen an, die den Himmel von einem Moment zum nächsten in eine Gewitterhölle verwandelten.
    Der Kapitän ließ alles Zeug reffen. Mit trockenem Baum lenzte das Schiff in der schwachen Dünung. Die Matrosen wurden erbarmungslos auf Trab gehalten, um nicht ins Denken zu verfallen. Die Negrona dümpelte unterhalb von Bordeaux vor einer Flussmündung, die als Piratennest bekannt war.
    Wie ein fetter Käfer im Netz einer Spinne hing das Schiff fest. Bei ablandigem Wind aus den Pyrenäen würde es den wendigen Küstenkaravellen der Korsaren ein Leichtes sein, die schwer beladene Galeone aufzubringen, bevor sie volle Fahrt aufnehmen könnte. Besonders gefährdet wäre im Fall eines Angriffs die Karacke, die in einigem Abstand auf dem Wasser schaukelte.
    Auf der Negrona wurden der Schiffsrumpf nachgeteert, die Pumpen überholt, Segel geflickt und Taue gespleißt. Die Mannschaft fluchte, die Passagiere standen überall im Weg. Es war einfacher für die Besatzung, wenn das Schiff Fahrt machte, dann musste nur das Notwendige getan werden, und dazwischen gab es Ruhe.
    Die Kölner Pilger versammelten sich an der Reling des Achterkastells, um den Herrn des Wetters mit Gebeten gnädig zu stimmen. So kurz vor dem Ziel – in der Ferne schwebte die baskische Nordküste – überfiel sie Ungeduld. Sie bekräftigten ihre Bitte um Wind mit dem Versprechen, in jeder Kapelle auf dem Camino Inglés, auf dem sie von La Coruña bis Santiago wandern

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