Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
sich an diesem Vorstoß zu beteiligen.»
Snitkers Dolmetscher übermittelt die Antwort in der direkten Rede. «Ich bin Kaufmann und Diplomat, kein Soldat, Sir.» Snitkers Zurückhaltung beruhigt Penhaligons Befürchtungen, dass der Niederländer sie in eine sorgfältig geplante Falle lockt.
«Bei zehneinhalb Faden!», ruft der Lotgast.
Die Phoebus ist schon fast auf gleicher Höhe mit den Wach-Stationen zu beiden Seiten des Ufers, auf die der Kapitän jetzt das Fernrohr richtet. Die Mauern sind dünn, die Palisaden niedrig und die Kanonen gefährlicher für die Schützen als für ihre Ziele.
«Mr. Malouf, sagen Sie Mr. Waldron, er soll den Befehl für unseren Salut geben.»
«Jawohl, Sir: Mr. Waldron sagen, Befehl zum Salut geben.» Malouf geht unter Deck.
Durch das Fernrohr sichtet Penhaligon die ersten Japaner. Sie sind klein wie Malaien, von den Gesichtern her nicht von Chinesen zu unterscheiden, und ihre Waffen bringen ihm Major Cutlips Bemerkung über mittelalterliche Ritterspiele in den Sinn.
Die Kanonen feuern durch die Stückpforten. Das Donnern hallt vom Steilufer wider ...
... und der beißende Qualm weht über die Mannschaft hinweg und weckt Erinnerungen an vergangene Schlachten.
«Neun Faden», ruft der Lotgast, «neuneinhalb ...»
«Zwei Boote legen von der Stadt ab», meldet der Ausguck im Krähennest.
Durch das Fernrohr erkennt Penhaligon verschwommen zwei Sampans.
«Mr. Cutlip, die Soldaten sollen das große Beiboot rudern. Sie sollen Zivilkleidung anziehen und die Entermesser in Sackleinen gewickelt unter den Ruderbänken verstecken.» Der Major salutiert und geht unter Deck. Der Kapitän begibt sich zum Mittelschiff, um mit dem Bootsmann zu sprechen, einem gewitzten Schmuggler von den Scilly-Inseln, der in Penzance gepresst wurde, wo ihm der Galgen drohte. «Mr. Flowers, lassen Sie das Beiboot zu Wasser, doch verheddern Sie die Taue, damit wir Zeit gewinnen. Die Begegnung des Empfangskomitees mit unserem Boot soll näher an der Phoebus als am Ufer stattfinden.»
«Ich werde wahren Tausalat draus machen, Captain.» Als Penhaligon zum Bug zurückkehrt, bittet ihn Hovell um Erlaubnis, eine Überlegung äußern zu dürfen.
«Sie sind auf diesem Schiff, weil ich Ihre Überlegungen schätze, Mr. Hovell.»
«Ich danke Ihnen, Sir. Ich stelle fest, dass die gemeinsamen Befehle des Generalgouverneurs und der Admiralität betreffs unserer gegenwärtigen Mission - frei formuliert: die Niederländer auszurauben und die Japaner zu verführen - nicht dem Szenario entsprechen, das wir hier vorfinden. Wie also sollen wir unsere Befehle ausführen, wenn die Niederländer nichts besitzen, das sich zu stehlen lohnt, und die Japaner sich ihren Verbündeten gegenüber als treu erweisen? Eine andere Taktik könnte hingegen mehr Erfolg versprechen.»
«Ich bin ganz Ohr, Lieutenant.»
«Die Taktik lautet, die niederländischen Amtsträger auf Dejima nicht als Hindernis für einen englisch-japanischen Vertrag zu sehen, sondern als Mittel zum Zweck. Wie das? Kurz gesagt, Sir, anstatt die niederländische Handelsmaschine in Nagasaki zu zerstören, helfen wir dabei, sie wieder in Gang zu bringen, um sie anschließend in Besitz zu nehmen.»
«Zehn Faden», ruft der Lotgast, «zehn ein Drittel ...»
«Der Lieutenant -», Wren hat alles mitgehört, «hat offenbar vergessen, dass wir mit den Niederländern im Krieg stehen. Warum sollten sie mit ihrem Erzfeind gemeinsame Sache machen? Falls Sie Ihre Hoffnungen noch immer auf den Fetzen Papier setzen, den der niederländische König Billy in Kew -»
«Hätte der Zweite Lieutenant wohl die Freundlichkeit, den Ersten ausreden zu lassen, Mr. Wren?»
Wren entschuldigt sich mit einer ironischen Verbeugung, und Penhaligon würde ihm am liebsten in den Hintern treten ...
... wären da nicht dein Schwiegervater-Admiral und die Schmerzen, die meine Gicht mir verursachen würde.
«Die Niederländer und ihre winzige Republik», fährt Hovell fort, «hätten der Macht der Habsburger nicht getrotzt, wenn sie nicht über einen besonderen Pragmatismus verfügten. Zehn Prozent vom Gewinn - nennen wir es ‹Vermittlungsgebühr› - sind entschieden besser als hundert Prozent von nichts. Weniger als nichts: Wenn in diesem Jahr kein Schiff aus Java gekommen ist, wissen sie noch nicht einmal, dass die Niederländische Ostindien-Kompanie pleite ist ...»
«... und dass die angehäuften Löhne», begreift der Kapitän, «und alle regulär gehandelten privaten Güter verloren sind.
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