Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
sapiens.
Heftiger Tumult regt sich in seinem Darm: Der Druck ist erbarmungslos.
Ich muss den Reißzähnen in meinem Fuß trotzen, macht sich Penhaligon klar, oder ich scheiße mir in die Hose.
Unter unerträglichen Schmerzen schleppt er sich zum Abtritt nebenan ...
... knöpft sich in dem finsteren Kabuff die Hose auf und lässt sich auf den Sitz plumpsen.
Mein Fuß, der mörderische Schmerz kommt in Wellen, gleicht einer versteinerten Kartoffel. Immerhin haben die qualvollen zehn Schritte seinen Darm beruhigt.
Herr über eine Fregatte , denkt er, aber nicht über deine Gedärme.
Zwanzig Fuß unter ihm schlagen Wellen sanft an den Schiffsrumpf.
Junge Mädchen , er summt sein Latrinenlied, hocken wie Spatzen auf den Dächern ...
Er dreht den Ehering an seinem alten, feisten Finger.
Junge Mädchen hocken wie Spatzen auf den Dächern ...
Meredith ist erst vor drei Jahren gestorben, aber die Erinnerung an ihr Gesicht hat sich verwischt.
... ach, wäre ich noch mal ein junger Mann ...
Penhaligon wünscht sich, er hätte dem Porträtmaler damals die fünfzehn Pfund bezahlt ...
... ich stiege ihnen nach und dumdideldei und dumdideldum.
... aber er musste die Schulden seines Bruders begleichen, und seine Bezüge ließen wieder einmal auf sich warten.
Er kratzt die wunde Stelle zwischen den Fingern seiner linken Hand.
Ein schmerzhaftes Jucken entflammt seinen After. Hämorrhoiden, denkt er. Ist es denn noch nicht genug?
«Keine Zeit für Selbstmitleid», sagt er laut. «Es müssen Briefe von staatstragender Bedeutung geschrieben werden.»
Der Kapitän lauscht den Rufen der Wachen. «Fünf Glasen, alles wohl ...» Das Öl in der Lampe geht zur Neige, aber welches nachzufüllen, würde nur die Gicht aufwecken, und es ist ihm unangenehm, Chigwin wegen einer so einfachen Aufgabe zu rufen. Die unbeschriebenen Blätter bezeugen seine Unentschlossenheit. Er sammelt seine Gedanken, aber sofort zerstreuen sie sich wie eine Schafherde. Jeder große Kapitän oder Admiral , überlegt er, trägt einen berühmten Ort in seinem Titel: Bei Nelson ist es der Nil, bei Rodney unter anderem Martinique, bei Jervis ist es Kap St. Vincent. «Warum kann es bei John Penhaligon nicht Nagasaki sein?» Wegen eines gewissen niederländischen Beamten namens Jacob de Zoet, denkt er. Verflucht sei der Wind, der ihn hierher getragen hat ...
Die Warnung in seinem Brief, räumt der Kapitän ein, ist ein Meisterstreich.
Er sieht zu, wie eine Tintenträne langsam von der Feder ins Tintenfass tropft.
Wenn ich sie beherzige, stehe ich in seiner Schuld.
Ein plötzlicher Regenschauer klatscht auf die See und prasselt auf das Deck.
Sie in den Wind zu schlagen, könnte sich hingegen als leichtsinnig erweisen ...
Wetz hat heute Abend Backbordwache: Er befiehlt, Fässer aufzustellen und Planen zu spannen, um das Regenwasser aufzufangen.
... und würde nicht zu einem englisch-japanischen Abkommen, sondern zu einem englisch-japanischen Krieg führen.
Er denkt an Hovells Szenario von den siamesischen Händlern im Bristolkanal.
Auch das britische Parlament würde sechzig Tage benötigen, um seine Antwort zu schicken.
Der Mückenstich an seiner Hand ist vom Kratzen rot und dick.
Er sieht in den Rasierspiegel: Sein Großvater blickt ihm entgegen.
Es gibt ‹bekannte Ausländer›, denkt Penhaligon, und es gibt ‹fremde Ausländer›.
Bei den Franzosen, Spaniern und Niederländern kauft man sich Berichte von Spionen.
Die Lampe zischt, flackert und erlischt. Die Kajüte ist in Dunkelheit gehüllt.
De Zoet, erkennt er, hat eine seiner besten Waffen eingesetzt.
«Vielleicht», macht sich der Kapitän Mut, «wird ein kleines Nickerchen Licht ins Dunkel bringen.»
Die Wachen rufen: «Vier Glasen, alles wohl ...» Penhaligons schweißgetränktes Bettzeug hat sich um ihn gewickelt wie ein Spinnenkokon. Unten im Kojendeck liegen die Männer von der Backbordwache jetzt dicht an dicht in ihren Hängematten, zusammen mit ihren Hunden, Katzen und Affen.
Die letzte Kuh, das letzte Schaf, die beiden Ziegen und sechs Hühner schlafen ebenfalls.
Nur die nachtaktiven Ratten verrichten vermutlich in den Vorratskammern ihr Werk.
Chigwin schläft in seinem Kämmerchen bei der Kajütentür.
Schiffsarzt Nash schläft in seinem warmen Nest im Orlopdeck.
Leutnant Hovell, der heute Nacht die Steuerbordwache hält, ist sicher hellwach, aber Wren, Talbot und Cutlip werden bis zum Morgen durchschlafen.
Jacob de Zoet, stellt sich der Kapitän vor, wird
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