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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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genug ausgeplündert, dass wir auch noch diese wiederholten Diebstähle unseres Privatbesitzes erdulden müssen? Melden Sie sich in einer Stunde im Langen Zimmer, damit ich einen Beschwerdebrief an den Statthalter diktieren kann, der eine vollständige Auflistung der gestohlenen Gegenstände enthalten wird ...»
     
    «Geschafft.» Con Twomey hängt die Tür wieder ein und wechselt in seinen irischen Dialekt. «Feckin’ Iangers’d need to rip out the feckin’ wall, like, to get through that .»
    «Wer», fragt Jacob, während er die Sägespäne auffegt, «ist Feck Inlangers?»
    Der Zimmermann klopft an den Türrahmen. «Ihre Seemannskiste repariere ich morgen. Wird sein wie neu. Schlimme Sache - und das Ganze am helllichten Tag?»
    «Wenigstens sind meine Glieder heil geblieben.» Jacob ist krank vor Sorge um den Psalter.
    Wenn er gestohlen wurde , befürchtet er, werden die Diebe mich damit erpressen.
    «Das ist die richtige Einstellung.» Twomey wickelt sein Werkzeug in Öltuch. «Bis zum Abendessen.»
    Als der Ire die Treppe hinuntergeht, schließt Jacob rasch die Tür, schiebt den Riegel vor und rückt das Bett zur Seite ...
    Ob Grote den Einbruch in Auftrag gegeben hat , überlegt er, als Rache für die Ginsengwurzeln?
    Jacob hebt das lose Dielenbrett an, legt sich auf den Bauch und greift nach dem eingewickelten Buch.
    Seine Fingerspitzen berühren den Psalter, und er seufzt erleichtert auf. «Der Herr behütet alle, die ihn lieben.» Er legt das Brett zurück und setzt sich aufs Bett. Er ist gerettet, Ogawa ist gerettet. Aber was, überlegt er, stimmt hier nicht ? Jacob spürt, dass er etwas Entscheidendes übersieht. Es ist wie mit den Hauptbüchern: Ich weiß, dass sich ein Fehler oder ein Betrug darin versteckt, obwohl die Summen korrekt Scheinen ...
    Auf dem Fahnenplatz wird wieder gehämmert. Die Zimmerleute sind spät dran.
    Die Antwort verbirgt sich im Offensichtlichen , denkt Jacob. Am helllichten Tag. Die Wahrheit trifft ihn wie ein Trog voller Backsteine: Kobayashis Fragen waren eine verschlüsselte, prahlerische Warnung. Der Einbruch war eine Botschaft. Sie lautet: «Noch lebst du in seliger Unwissenheit, aber jetzt, am helllichten Tag, bekommst du die Konsequenzen dafür zu spüren, dass du dich mir in den Weg gestellt hast. Du bist zu ohnmächtig, tun zurückzuschlagen, denn es wird nicht einen einzigen stichhaltigen Beweis geben.» Kobayashi hat sich als Urheber des Einbruchs zu erkennen gegeben und gleichzeitig dafür gesorgt, dass er über jeden Verdacht erhaben ist: Wie kann ein Einbrecher, während der Einbruch geschieht, mit seinem Opfer zusammen sein? Und wenn Jacob die Sache mit den Codewörtern meldet, wird jeder glauben, er leide unter Wahnvorstellungen.
    Der glühend heiße Tag kühlt langsam ab; der Lärm hat sich gelegt; Jacob ist übel.
    Er will sich nicht nur rächen, vermutet er, er will auch seine Häme befriedigen.
    Welchen Gegenstand würde ein Dieb - abgesehen von dem Psalter - stehlen, um Jacob am meisten zu schaden?
    Der abgekühlte Tag wird glühend heiß; der Lärm verdichtet sich; Jacob hat Kopfschmerzen.
    Die letzten Seiten in meinem neuen Skizzenbuch , denkt er, unter meinem Kopfkissen ...
    Zitternd reißt er das Kissen weg, nimmt das Skizzenbuch, nestelt aufgeregt an den Bändern, schlägt die letzte Seite auf und ringt nach Atem: Das Blatt wurde bis auf eine ausgefranste Ecke herausgerissen. Es war mit Zeichnungen von Fräulein Aibagawas Gesicht, ihren Händen und Augen versehen, und irgendwo ganz in der Nähe betrachtet Kobayashi diese jetzt mit boshaftem Vergnügen ...
    Jacob verschließt die Augen vor dem Bild, aber es tritt umso deutlicher hervor.
    Gib, dass das nicht wahr ist , betet Jacob, aber dieses Gebet bleibt fast immer unerhört.
    Die Haustür geht auf. Jemand schlurft langsam die Stufen herauf.
    Der außergewöhnliche Umstand, dass Marinus ihm einen Besuch abstattet, kann Jacobs Seelenpein kaum lindern. Was ist, wenn ihr die Erlaubnis entzogen wird, auf Dejima zu studieren? Ein Stock klopft heftig an die Tür. «Domburger.»
    «Ich habe für heute genügend ungebetene Gäste gehabt, Herr Doktor.»
    «Machen Sie sofort die Tür auf, Sie Dorfdepp.»
    Es hat keinen Zweck, sich der Aufforderung zu widersetzen. «Sie sind bestimmt hier, um sich an meinem Unglück zu weiden.»
    Marinus sieht sich in der Wohnung um, setzt sich auf die Fensterbank und blickt durch das Fenster aus Glas und Papier hinaus auf die Lange Straße und den Garten. Er löst das

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