Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
Schuppen.
«Na, Sie haben sich ja ganz schön Zeit gelassen!», sagt Gerritszoon, der auf einem Sack sitzt.
«Wo ist ...» Jacob erblickt die Antwort auf seine Frage.
Der Sack ist Sjako. Sein einstmals hübsches Gesicht liegt in einer Blutlache. Seine Lippe ist gespalten, ein Auge ist fast zugeschwollen, und er gibt kein Lebenszeichen von sich. Auf dem Boden liegen zersplitterte Kisten, eine zertrümmerte Flasche und ein kaputter Stuhl. Gerritszoon kniet auf Sjakos Rücken und fesselt dem Sklaven die Hände.
Die anderen drängen sich hinter Jacob und dem Arzt in den Schuppen.
«Jesus, Maria und Oliver Sauhund Cromwell», ruft Con Twomey aus.
Die einheimischen Zeugen bekunden auf Japanisch ihr Entsetzen.
«Binden Sie ihn los», befiehlt Marinus Gerritszoon, «und halten Sie sich von mir fern.»
«Sie sind nicht der Chef, und der Vize sind Sie auch nicht, und ich schwöre bei Gott ...»
«Binden Sie ihn sofort los», herrscht der Arzt ihn an, «oder ich schwöre bei meinem Gott, dass mir auf tragische Weise langsam und qualvoll die Hand ausrutscht, wenn Ihr Blasenstein so groß ist, dass Sie Blut pissen, und Sie wie ein verängstigtes Kind nach einer Operation schreien.»
«Es war unsere Pflicht», knurrt Gerritszoon, «den Teufel aus ihm rauszuprügeln.»
Er tritt zur Seite. «Sie haben das Leben aus ihm rausgeprügelt», ruft Ivo Oost.
Marinus gibt Jacob seinen Stock und kniet sich neben den Sklaven.
«Hätten wir tatenlos abwarten sollen», fragt Fischer, «bis er uns umbringt?»
Marinus löst die Fesseln. Mit Jacobs Hilfe versucht er, Sjako umzudrehen.
«Faktor V. wird nicht begeistert sein», schnaubt Arie Grote verächtlich, «dass so mit dem Eigentum der Kompanie umgegangen wird!»
Ein Schmerzensschrei dringt aus Sjakos Brust und verklingt.
Marinus legt dem verletzten Malaien seinen Mantel unter den Kopf, raunt ihm in seiner Muttersprache etwas zu und untersucht seinen Schädel. Der Sklave zittert am ganzen Körper. Marinus macht ein besorgtes Gesicht und sagt: «Wie kommen die Glassplitter in die Kopfwunde?»
«Das habe ich bereits gesagt», antwortet Fischer, «wenn Sie mir zugehört hätten. Er hat gestohlenen Rum getrunken.»
«Und sich dann mit der Flasche selbst verletzt?»
«Ich habe sie ihm im Kampf abgenommen», sagt Gerritszoon, «um mich damit zu wehren.»
«Der schwarze Hund wollte uns umbringen!», schreit Fischer. «Mit einem Hammer!»
«Hammer? Brecheisen? Flasche? Sie hätten besser dafür sorgen sollen, dass Ihre Aussagen übereinstimmen.»
«Ich lasse mir diese ...», droht Fischer, «... diese Unterstellungen nicht länger bieten, Marinus.»
Eelattu kommt mit einer Trage. Marinus sagt zu Jacob: «Helfen Sie mir, Domburger.»
Sekita stößt die Hausdolmetscher mit seinem Fächer beiseite und wirft einen angewiderten Blick auf das Geschehen. «Das ist der Su-ya-ko?»
Der erste Gang beim Abendessen ist eine süße französische Zwiebelsuppe. Vorstenbosch schlürft sie verstimmt und schweigend. Er und van Cleef kamen in heiterer Laune nach Dejima zurück, doch diese war dahin, als sie von dem verprügelten Sjako erfuhren. Marinus ist noch im Krankenhaus und behandelt die zahlreichen Wunden des Malaien. Der Faktor hat sogar Cupido und Philander von ihren musikalischen Pflichten entbunden, mit der Begründung, er sei nicht in Stimmung für Musik. So bleibt es Vize van Cleef und Kapitän Lacy überlassen, die Tischgesellschaft mit ihren Schilderungen der Residenz des Fürsten von Satsuma und seines Gefolges zu unterhalten. Jacob hat den Eindruck, dass sein Mentor gewisse Zweifel an Fischers und Gerritszoons Version des Vorfalls im Packhaus hegt, aber diese auszusprechen, hieße, das Wort eines schwarzen Sklaven über das Wort eines weißen Amtsträgers und eines weißen Arbeiters zu stellen. Würde man damit nicht einen Präzedenzfall , denkt Vorstenbosch in Jacobs Phantasie, für die anderen Diener und Sklaven schaffen? Fischer befleißigt sich vorsichtiger Zurückhaltung, denn er spürt, dass seine Aussichten, die Stellung als Kontorleiter zu bekommen, gefährdet sind. Als Arie Grote und sein Küchenjunge die Wildpastete auftragen, lässt Kapitän Lacy seinen Diener ein halbes Dutzend Flaschen Gerstenbier holen, aber Vorstenbosch bemerkt es nicht einmal. Er murmelt: «Was in Gottes Namen hält Marinus so lange auf?», und schickt Cupido, den Arzt zu holen. Cupido bleibt lange fort. Lacy erzählt in ausgeschmückter Fassung, wie er in der Schlacht von Bunker Hill neben
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