Die Teerose
eine Menge mehr in der Kasse. Wir müssen gleich noch eine Teekiste aus dem Keller holen. Wie viele Anzeigen hast du denn aufgegeben?«
»Nur die in der kleinen Stadtteilzeitung!«
»Das ganze Geschäft wegen dieser kleinen Anzeige? Nate hat recht. Werbung lohnt sich wirklich!«
Er schoß davon, um der Kundin die Äpfel zu bringen, und Fiona dankte Gott, daß er da war, um ihr zu helfen. Ohne ihn wäre sie verloren gewesen. Er war so charmant und plauderte so reizend. Die Damen liebten ihn, und ihm gefiel es, den Ladenbesitzer zu spielen. Es war ein neues Spiel, ein Jux, und Nick, ein großes Kind, genoß es.
Sie wog und verpackte die Lammkoteletts, die Butter und die Perlzwiebeln, steckte sie zu dem Porridge in die Tüte und legte ein Bund Petersilie darauf. »Haben Sie unsere Ingwerplätzchen schon probiert?« fragte sie Mrs. Owens und reichte ihr eins. »Sie sind sehr gut. Seamie ist ganz wild darauf«, fügte sie hinzu, da sie von Mary wußte, daß Mrs. Owens ihren fünf Kindern eine liebevolle Mutter war und vielleicht noch ein bißchen mehr einkaufte.
»Die sind hausgemacht, nicht wahr?« fragte die Frau und kostete davon.
»Erst heute morgen. Mary Munro hat sie gebacken. Von ihr stammen alle Backwaren hier.«
»Oh, ich kenne Mary! Sie ist eine hervorragende Bäckerin. Geben Sie mir ein halbes Dutzend. Da werden sich meine Kinder freuen. Ich brauch auch noch einen Viertelliter Milch und zwei Pfund Mehl. Und vergessen Sie meinen Tee nicht, Fiona! Hier ist mein Coupon. Ist er denn gut? Ich will keine Ausschußware.«
»Das ist exzellenter Tee, Mrs. Owens. Spitzenqualität«, sagte sie mit einem bedeutungsvollen Nicken. »Orange Pekoe, erste Pflükkung.« Das hatte sie von Joe gelernt. Laß ab und zu einen Fachausdruck fallen, der von intimer Kenntnis des Produkts zeugt und dem Kunden das Gefühl gibt, jetzt auch Bescheid zu wissen.
»Das hab ich auf der Kiste gelesen. Was heißt das?«
»Es ist die Sortenbezeichnung. Sie sagt Ihnen, daß Sie schöne große Blätter mit vielen Sprossen haben. Es heißt, daß alles von der Spitze des Buschs gepflückt wurde und nicht von den alten harten Blättern an den Zweigen stammt.« Sie senkte die Stimme. »Es gibt natürlich Leute, die den Unterschied nicht kennen«, fuhr sie fort und ließ den Blick durch den Laden schweifen, »aber diejenigen, die ihn kennen, bestehen auf der besseren Qualität.«
Mrs. Owens nickte komplizenhaft. »Geben Sie mir ein Viertelpfund, Mädchen. Mein Gott, es ist lange her, daß ich guten Tee bekommen hab – Jahre!«
Fiona lächelte über Mrs. Owens’ Begeisterung. Ihr selbst ging es nicht anders. Wenn sie etwas auf der Welt nicht ausstehen konnte, dann schlechten Tee. Unzufrieden mit dem Angebot des Lieferanten ihres Onkels, bestellte sie bei ihm nicht nach, sondern fuhr in die South Street hinunter, zu Millard’s, der Importfirma ihres Freundes Stuart, den sie auf dem Schiff kennengelernt hatte, und ließ sich dort eine Mischung aus indischem Tee zusammenstellen. Sie sagte ihm, was sie wollte, und Stuart bereitete aus den Blättern drei verschiedener Assuan-Sorten eine vollmundige, frische Mischung mit einem klaren, leicht malzigen Geschmack. Er freute sich darüber, weil er Schwierigkeiten hatte, seinen indischen Tee abzusetzen. Seine amerikanischen Kunden kauften nur, was sie kannten, und zwar chinesischen Tee. Sein indischer Tee war besser, aber er konnte sie nicht umstimmen. Fiona jedoch wollte nur diesen in ihrem Angebot. Sie erkannte seine Qualität sofort, und sie wußte, daß ihre Kunden dazu ebenfalls in der Lage wären. Dank Mary hatte sie viele von ihnen schon vor der Geschäftseröffnung kennengelernt. Junge Arbeiterinnen, Frauen von Dock- und Fabrikarbeitern – fast ausschließlich Einwanderer –, die guten Tee schätzten. Es war der einzige kleine Luxus, den sie sich gönnten.
Fiona wog Mrs. Owens’ Tee ab und stellte die Tüte mit dem Rest ihrer Einkäufe auf den Ladentisch. Dann wickelte sie die Ingwerplätzchen ein, wog zwei Pfund Mehl ab und schöpfte die Milch aus einem Molkereikübel in den kleinen Krug, den Mrs. Owens ihr reichte. »Wäre das alles?« fragte sie und begann, die Einkäufe zusammenzurechnen.
Die Frau warf einen sehnsüchtigen Blick ins Schaufenster. »Ach, diese neuen Kartoffeln sehen so gut aus. Geben Sie mir zwei Pfund davon und ein Bund Spargel dazu. Den mag Mr. Owens so gern. Ich denke, das wär’s im Moment. Wahrscheinlich kann ich gar nicht alles schleppen, was ich eingekauft
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