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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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renoviert und eingerichtet, alles vom Feinsten, müssen Sie wissen, kein Ramsch. Aber einen Tag vor der Hochzeit hat ihr Verlobter sie verlassen. Das hat sie zerstört. Sie hat weiterhin mit ihrem Vater zusammengelebt, der inzwischen verstorben ist, und wohnt jetzt immer noch in seinem Haus. Dieses Haus hat sie vernageln und verfallen lassen. Bis heute weigert sie sich, es zu vermieten oder zu verkaufen.«
    »Als würde sie das Haus dafür bestrafen, was passiert ist«, sagte Fiona. »Gibt es denn eine Möglichkeit, es anzusehen, Mr. Wilcox? Könnten wir reingehen?«
    »Nein, das geht nicht«, antwortete Wilcox und schüttelte den Kopf. »Ihnen könnte was passieren dort drinnen.«
    Nick sehnte sich nach einer Tasse Tee. Er war niedergeschlagen, weil er keine Räumlichkeiten für seine Galerie gefunden hatte, und wollte den Gramercy Park und den ganzen vergeudeten Nachmittag vergessen. Doch er wußte genau, daß er Fiona die Hausbesichtigung nicht ausreden durfte. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich von niemandem zurückhalten. Er griff in seine Tasche, zog einen Dollar heraus und reichte ihn Wilcox in der Hoffnung, die Sache zu beschleunigen. Er lag richtig damit.
    »Also gut, hier ist der Schlüssel für den Garteneingang«, sagte der Hausmeister. »Wenn Ihnen irgendwas zustößt, geht mich das nichts an. Zum Reingehen schieben Sie ein loses Brett zur Seite, in Ordnung?«
    »In Ordnung«, sagte Nick und drehte sich um, um Fiona zu folgen, die bereits durch das Gartentor ging. Durch Wildblumen und Unkraut bahnte er sich den Weg zur Tür, die sie mühsam zu öffnen versuchte. »Beim geringsten Anzeichen von Ratten bin ich weg«, sagte er.
    »Hier, hilf mir mit dem Schlüssel. Das Schloß ist zu verrostet, glaube ich.«
    Nick nahm all seine Kraft zusammen. »Er steckt fest. Warte … jetzt geht’s.«
    In ihrer Eile hineinzukommen drängte ihn Fiona beiseite. Kleine vermoderte Holzstücke und Metallspäne fielen ihr auf den Kopf, die Nick lachend wegwischte. Die innere Tür war in die Diele gekippt, weil die Angeln durchgerostet waren. Vorsichtig stiegen sie darüber hinweg. 
    »Wirklich toll hier, Fiona!« sagte Nick sarkastisch und sah sich um. Von der Decke war fast nichts mehr übrig, und an den Stellen, wo der Putz abgefallen war, kam das Lattenwerk zum Vorschein. Die Tapete hing in Fetzen herunter, auf dem Boden lag, in tausend Stücke zersprungen, ein Kronleuchter, und Schimmel schwärzte die einst weißen Laken über den Möbeln. »Komm, laß uns gehen.«
    Aber Fiona wollte nicht weg. Durch eine klemmende Tür ging sie vom ersten Raum in den nächsten. Er folgte ihr, ohne ihre Begeisterung für das verrottete Haus zu teilen. Plötzlich brach er mit dem Fuß durch ein Dielenbrett und zog ihn fluchend wieder heraus.
    »Nick! Ist das nicht herrlich?« rief sie aus dem anderen Raum.
    »Vielleicht für Termiten«, antwortete er und stolperte durch die Tür.
    Sie beugte sich hinunter, um die Schnitzereien am Kaminsims anzusehen, und schrie plötzlich erschreckt auf, als eine Schar streunender Katzen hinter dem Gitter hervorschoß. Sie huschten an ihr vorbei zum hinteren Teil des Hauses, wo sie durch eine fehlende Fensterscheibe ins Freie sprangen. Neugierig folgte ihnen Fiona. »Ich glaube, da draußen gibt’s einen Hof«, sagte sie. »Komm, laß uns nachsehen.«
    Gemeinsam schafften sie es, die klemmende Tür einen Spalt zu öffnen. Fiona zwängte sich hindurch, und sobald sie draußen war, hörte er sie aufstöhnen. »O Nick! Beeil dich! Schau dir das an!«
    Er zwängte sich ebenfalls durch die Tür und fragte sich, was es dort so Besonderes geben könnte. Dann sah er sie. Hunderte und Aberhunderte von Rosen. Der ganze Hinterhof war voll davon. Im Sonnenschein prangend, überwucherten sie die Mauern, rankten sich über die Wege und eine verrostete Eisenbank. Er erkannte die Sorte auf Anhieb. Sein Vater hatte auf seinem Gut in Oxfordshire eine Menge solcher Hecken gehabt. Es waren Teerosen. Er erinnerte sich, wie der Gärtner ihm erzählte, daß die ersten Exemplare vor über hundert Jahren von einem Engländer aus China herausgeschmuggelt worden waren, der von den üppigen Blüten und ihrem betäubenden Duft hingerissen war. Sie seien nicht leicht zu züchten, vor allem sei es schwierig, sie ein zweites Mal zum Blühen zu bringen, aber wenn dies gelänge, blühten sie mitten im Sommer!
    »Riech doch, Nick. Sie duften wie Tee!« sagte Fiona. »Sieh dir die an … hast du jemals

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