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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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London das East End zu ihrer obersten Priorität erklärt. Sie hatten mehr Polizisten auf die Straßen beordert, es gab mehr Prediger, mehr Missionen und Wohltäter. Und dieser verdammte Roddy O’Meara hatte sein Versprechen gehalten und war ihm all die Jahre über auf den Fersen geblieben. Er verfolgte ihn, redete in der Öffentlichkeit mit ihm, als wäre er ein dreckiger Informant, und machte in den Spielhöllen und Bordellen, die er kontrollierte, Razzien. Vor drei Jahren war ein bißchen Ruhe eingekehrt, als O’Meara Sergeant wurde und die meiste Zeit hinterm Schreibtisch verbringen mußte. Aber wenn ihn seine neuen Pflichten davon abhielten, ihn persönlich zu belästigen, achtete er darauf, daß seine Untergebenen für ihn einsprangen.
    Und während die Polizei ihn bedrängte, hatte er immer größere Mühe, seine Geschäfte zusammenzuhalten. Einige Leute bezahlten überhaupt nichts mehr wie Denny Quinn unten vom Taj Mahal. Quinn redete sich immer raus, nichts zu haben, machte aber eine Menge Geld mit dem Laden. Bowler kannte den wahren Grund, warum er nicht bezahlte – dieser verdammte Sid Malone.
    Er spuckte aus – schon beim bloßen Gedanken an seinen Rivalen kam ihm die Galle hoch. Malone war jung. Ein Emporkömmling, der aus dem Nichts aufgetaucht war. Vor ein paar Jahren war er bloß einer von den vielen kleinen Ganoven gewesen, der Leuten den Schädel einschlug, ab und zu einen Überfall machte und Hehlerware verhökerte. Davon gab es Hunderte. Kleinkriminelle, die stahlen, um sich Essen zu besorgen oder in einer elenden Absteige ein Bett zu kriegen. Aber mit solchem Kleinkram hatte sich Malone nicht lange aufgehalten. Cleverness und Unverfrorenheit, kombiniert mit dem Ruf absoluter Rücksichtslosigkeit, hatten ihm zu einer rasanten Karriere in der Unterwelt verholfen.
    Wie Bowler selbst kontrollierte Sid Malone eine Menge illegaler Etablissements und kassierte Schutzgelder. Im Gegensatz zu Bowler operierte er südlich des Flusses, in Lambeth, Southwark, Bermondsey und Rotherhithe. Leben und leben lassen war Bowlers Devise gewesen. Solange Malone auf seiner Seite des Flusses blieb, wollte auch er auf der seinen bleiben. Aber Malone hielt sich nicht daran. Während der letzten Monate hatte er seinen Einfluß auf Kaibesitzer und Schiffseigner benutzt, um einige sehr kühne und lukrative Unternehmungen anzufangen – Waffen nach Dublin, Opium nach New York und hochwertige Hehlerwaren nach Paris zu verschieben. Sein Erfolg hatte seinen Ehrgeiz angestachelt. Es gab Gerüchte, daß er seine Aktivitäten auf die Nordseite des Flusses ausdehnen wollte – auf Bowlers Gebiet. Und gestern wurden sie bestätigt. Malone war im Taj Mahal aufgetaucht. Reg und Stan hatten ihn gesehen. Er hatte dort gegessen, auf einen Kampf gewettet und mit einer von Quinns Dirnen gevögelt.
    Der freche Hund. Dieser verdammte freche Hund, dachte Bowler. Er wußte nicht, wem er zuerst das Genick brechen wollte: Malone, weil er in sein Territorium eingedrungen war, oder Quinn, weil er das zuließ.
    Bowler hätte Malone ohne zu zögern kaltgemacht, wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte, aber der Mann war gut bewacht. Um ihn zu erwischen, mußte man zuerst ein halbes Dutzend hünenhafter Kerle erledigen. Aber Bowler wußte, was er zu tun hatte: Er müßte an seiner Stelle Denny Quinn fertigmachen. Er würde ihm eine Nachricht zukommen lassen. Eine Warnung. Was ihm leid tat, denn er mochte Denny eigentlich, aber wenn er ein solches Verhalten durchgehen ließ, was würde dann aus ihm werden? Mit dem Arsch nach oben in der Themse treiben würde er. In Malones Themse.
    Die Benzindämpfe reizten seine Nase, so daß er husten mußte. »Seid ihr beiden fertig?«
    »Ja, Chef«, sagte Stan.
    »Wie geht’s unserem Freund, dem Stadtstreicher?«
    »Ihm ist’s ein bißchen kalt im Moment, aber wir wärmen ihn gleich auf.«
    Sheehans Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und er hatte keine Mühe, den leblosen Körper auf dem Boden auszumachen, aus dessen Hosentasche eine Tabakbüchse hervorlugte. Sie hatten ihn dösend in einer Gasse gefunden. Er hatte sich ziemlich gewehrt, eigentlich eine Schande, aber es half nichts – der alte Kauz hätte wohl kaum zugestimmt, sich bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen. Wenn die Flammen erloschen waren, würde es aussehen, als hätte ein Obdachloser geraucht und dabei versehentlich das Gebäude in Brand gesteckt. »Hast du die Flasche?« fragte er.
    »Ja, hier«, antwortete Reg und hielt eine

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