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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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aber nicht, was er machen sollte, als die Pasta gebracht wurde. Millie, Tommy und Harry lachten, als sie zusahen, wie er mit den Nudeln kämpfte, dann zeigte ihm Millie, wie er sie um die Gabel wickeln mußte. Sie streute Parmesan über seine Spaghetti und wischte ihm die Tomatensoße vom Kinn. Wie üblich plauderte sie munter dahin und erzählte, welche Fortschritte die Vorbereitungen ihres Vaters zu der Guy-Fawkes-Party machten. Als sie gegessen hatten, spazierten sie gemeinsam nach Covent Garden zurück, wo sich Millie und Tommy verabschiedeten.
    Joe hatte außerordentlichen Spaß gehabt, aber jetzt fühlte er sich miserabel. Er hätte heute abend bei Fiona in Whitechapel sein sollen. Bei Fiona, die bleich und abgemagert war und um ihren Vater trauerte. Er war ein absoluter Schuft. Sie brauchte ihn, und was machte er? Er tafelte bei Sardini’s. Er erinnerte sich, wie er am Abend nach der Beerdigung ihres Vaters mit ihr vom Fluß zurückgegangen war, wie sie sich an ihn geklammert hatte, als er fortmußte. Es brach ihm das Herz. Er ertrug es nicht, sie allein zu lassen, wenn sie ihn so sehr brauchte. Aber was konnte er machen? Ein oder zwei Tage war er versucht gewesen, seine Stelle aufzugeben und zur Montague Street zurückzukehren, um bei ihr zu sein. Aber was hätten sie davon? Er wäre wieder bei seinem Vater und würde sich Pennys für ihre Sparbüchse abknapsen, während er jetzt Pfundnoten hineinlegte. Und Mr. Wilsons Job – falls er ihn bekam – brachte noch mehr Geld. War es nicht wichtiger hierzubleiben? Fiona würde mit und ohne ihn trauern. Seine Gegenwart wäre ein Trost, würde sie aber nicht von ihrem Schmerz befreien.
    Er zog sich aus und ging ins Bett. Bilder von Fiona tauchten vor seinem inneren Auge auf, als er wegdöste. Eines Tages hätten sie das Geld für ihren Laden, dann würde er bei Peterson’s aufhören, und sie wären für immer vereint. Sie würden heiraten, und die Zeit der Trennung und der Nöte wäre vorbei. Eines Tages. Schon bald.

   12   
    F iona sah auf die Räucherheringe, die am Wagen des Fischhändlers aufgereiht waren. Sie war allein auf den Markt gegangen, weil ihre Mutter starken Husten hatte und Fiona nicht wollte, daß sie sich der feuchten Oktoberluft aussetzte. Doch die Rufe der Händler nahm sie kaum wahr, und auch für die leckeren Auslagen zeigte sie kein Interesse. Zu sehr war sie damit beschäftigt, mit nur sechs Pence Essen für vier Leute zu kaufen.
    Fiona war überzeugt, daß der Husten ihrer Mutter von den feuchten Mauern ihres neuen Zimmers in Adams Court herrührte. Es lag neben der einzigen Pumpe in der Gasse, die ständig leckte und die Pflastersteine glitschig und die Mauern in der Umgebung naß und kalt werden ließ.
    Adams Court war eine kurze, dunkle Sackgasse, die durch einen engen Backsteindurchgang von der Varden Street erreicht wurde. Die geduckten Häuser entlang der kopfsteingepflasterten Gasse hatten jeweils vier Zimmer, sie wohnten im Vorderraum von Nummer zwölf. Ihre Mutter hatte sie zur Besichtigung mitgenommen, bevor sie einzogen. Sie hatte von ihrer Freundin Lillie davon erfahren, denn Lillies Verlobter hatte vor ihrer Hochzeit hier gewohnt. Es gab kein Abwaschbecken und keinen Schrank. Sie mußten ihre Kleider an Nägeln aufhängen. Das Zimmer maß etwa vier mal fünf Meter. Die meisten ihrer Möbel hatten sie ohnehin verkaufen müssen. Fiona haßte das Zimmer, aber als ihre Mutter sie ängstlich und gleichzeitig hoffnungsvoll fragte, was sie davon hielt, meinte sie, würde es schon gehen, wenn sie sich erst einmal daran gewöhnt hätten.
    Ihre alten Freunde und Nachbarn hatten sich nach Kräften bemüht, sie in der Montague Street unterzubringen, in Häusern, die schon bis zum Dach überfüllt waren. Aber ihre Mutter wollte ihre Gutherzigkeit nicht ausnutzen. Auch Roddy hatte versucht zu helfen. Fiona sollte nichts davon erfahren, tat es aber doch. Eines Nachts, als sie noch in der alten Wohnung wohnten, war er spät von seiner Schicht zurückgekommen, und Kate hatte ihm Tee gemacht. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen, und sie hörte die beiden über die Schwierigkeiten ihrer Mutter bei Burton Tea reden. Und dann hatte Roddy ihre Ma plötzlich gebeten, ihn zu heiraten.
    »Ich weiß, daß du mich nicht liebst, Kate«, hatte er gesagt. »Das erwarte ich auch nicht von dir. Nicht nach Paddy. Ich weiß, wie es mit euch beiden war. Darum geht’s mir auch nicht. Es ist nur … na ja … ich könnte für die Kinder sorgen. Ich würde

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