Die Templerverschwoerung
Lane?« Er nahm ihr gegenüber Platz. Sie trug ein langes pinkfarbenes Kleid, das so perfekt saß wie ein Badeanzug. Er musste sich zusammennehmen, um nur auf ihr Gesicht zu schauen.
»Was für eine Party? Wir sitzen alle herum und warten auf Professor Ameta mit seinen Postgradualen. Ich wollte auch an dem Seminar hier in der Kirche teilnehmen, bin aber in London aufgehalten worden.«
»Warum hat der Sergeant gerade Sie zu mir gebracht?«
Sie zuckte die Schultern.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich dort die Älteste war. Außerdem komme ich aus London, was mich neutral erscheinen lässt. Also, wo steckt Kaleb? Sagen Sie bloß nicht, Sie haben die ganze Truppe festgenommen und aufs Revier geschleppt.«
Sie lachte auf, aber es klang ein bisschen nervös. Er konnte nicht einstimmen. Stattdessen holte er tief Luft. In den zwei Jahren, die er diesen Job machte, war er schon mehrmals in einer solchen Lage gewesen, und jedes Mal hatte ihn die Erinnerung daran noch Tage und Wochen verfolgt.
Er sagte ihr alles, was sie wissen musste: acht Personen erschossen, darunter ihr Professor. Von den Enthauptungen musste sie erst einmal nichts erfahren. Sie war nicht verdächtig, zumindest noch nicht, aber als mögliche Mittäterin musste er sie im Auge behalten. Sie brach nicht in Tränen aus,schrie nicht und sagte kein Wort, auch nicht, um ihr Entsetzen zu überspielen.
Er beobachtete sie, unsicher, wie er das deuten sollte. Sie konnte durchaus der Schlüssel zu dem Verbrechen sein. Er glaubte, sie wisse mehr als das wenige, das sie bisher gesagt hatte. Vielleicht kannte sie jemanden, der als Verdächtiger in Frage kam. Wenn es sich zum Beispiel um einen Äthiopier handelte, dann würde das den Personenkreis beträchtlich einengen. Aber er musste sichergehen. Dies konnte sich zu einem komplizierten Fall entwickeln, bei dem er einen rassistischen Hintergrund stets mitzudenken hatte.
»Welcher Nationalität war er?«, fragte er. »Ich meine, der Professor.«
»Spielt das noch eine Rolle? Jetzt hat er keine mehr, es sei denn, die Toten sind eine Nation.«
Draußen wurde es laut. Möbel wurden gerückt, Polizisten und Polizistinnen riefen sich etwas zu.
»Es ist wichtig für die Ermittlungen. Vielleicht wollen seine Behörden informiert werden.«
»Bestimmt nicht. Er war Brite.«
»Von Geburt?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte sich einen hellroten Seidenschal um den Kopf gebunden, der sich scharf von ihrem schwarzen Haar abhob und auch einen Kontrast zu dem Kleid bildete. Wenn er sie betrachtete, kam ihm das Hohelied Salomos aus der Bibel in den Sinn, das er aus der katholischen Sonntagsschule kannte:
Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, wie die Teppiche Salomos.
»Kaleb ist in Äthiopien geboren«, sagte sie. »Irgendwo im Norden, glaube ich. Er hat das Derg überlebt.«
»Das was?«
Sie lächelte ironisch.
»Eine Militärjunta, die in Äthiopien Genozid betrieben hat. Ein Klüngel von Größenwahnsinnigen in Uniform, das Übliche. Sie werden das nicht wirklich wissen wollen.«
Dann sprach sie aber doch ausführlich über Mengistu und das Derg, über die Flucht des Professors mit seiner Frau Melesse.
»Melesse ist vor einigen Monaten gestorben«, sagte sie. »Und jetzt das. Was für eine Tragödie. Das trifft die äthiopische Gemeinde ins Mark. Nicht nur hier in Cambridge. Beide waren sehr beliebt. Es waren großartige Menschen.«
»Hat er um seine Frau getrauert?«
»Natürlich. So war er.«
Sie wandte sich ihm zu und schaute ihm voll ins Gesicht. Dabei schüttelte sie den Kopf.
»O nein, das nicht!«, sagte sie dann scharf, und er spürte Zorn in ihrer Stimme. »Sie glauben, er hätte sie alle erschossen und am Ende sich selbst – eine billige Form von Selbstmord. Als ob er einer von den Massenmördern wäre, die erst ihre Familie auslöschen und sich dann selbst das Hirn aus dem Schädel pusten. Das ist völlig ausgeschlossen.«
Auch er nahm sie jetzt näher in Augenschein, weil er spürte, dass sie vielleicht eine Sensibilität besaß, die ihm fehlte.
»Nein«, gab er zurück. »Das denke ich überhaupt nicht. Bisher gehe ich davon aus, dass ein Killer in die Kirche gekommen ist und alle acht erschossen hat. Die Tatwaffe hat er mitgenommen.«
Erneut versuchte er in ihrem Gesicht zu lesen, aber es war, als trüge sie eine Maske.
»Was war er für ein Charakter?«, fragte er. »Der Professor. Kaleb. Sie sagen, er und seine Frau seien großartige
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