Die Terranauten 009 - Die Stunde des Riemenmanns
sich bereits im zweiten Stadium. Sie leiden unter einer psychotischen Angst vor Licht. Wir müssen sie so rasch wie möglich fortschaffen, oder morgen, spätestens übermorgen, werden sie alles angreifen, was irgendwie mit Helligkeit zu tun hat.«
Der Vermummte atmete schwer. »Rosen hatte recht«, stieß er hervor. »Warum begreife ich erst jetzt? Die Dunkelheit ist warm, der Freund der Menschen. Nur das Licht läßt uns leiden. Es muß vernichtet werden. Zerstört, zerbrochen.« Er wimmerte wieder. »Hört auf! Laßt mich frei! Es schmerzt so entsetzlich.«
Llewellyn 709 dachte einen Moment nach. »Wir lassen sie zu Rosen gehen«, entschied er schließlich. »Hier im Trakt bringen sie nur Unruhe unter die Leute. Außerdem ist es zu gefährlich, die Dunklen hierzubehalten.«
Cloud nickte zustimmend. »Ich werde die Frau holen.«
Er verschwand in der Dunkelheit des Raumes. Unvermittelt brach das Kreischen der Frau ab. Geräusche wie von einem schnellen, heftigen Kampf folgten. Dann erschien Cloud wieder und trug den offenbar ohnmächtigen, vermummten Körper einer Frau.
»Ich mußte sie betäuben«, erklärte er leise. »Sie gab keine Ruhe.«
Der Riemenmann nickte nur und führte seinen Gefangenen zurück in den breiten Hauptgang des Wohntraktes. Unter dem Licht der Deckenplatten begann er wieder zu schreien und sich heftig zu wehren, aber die Kraft des Treibers war größer. Stöhnend stolperte der Vermummte weiter.
Die Häftlinge, die sich noch immer in dem Korridor aufhielten und mit bleichen Gesichtern der wiederaufgenommenen Litanei der Gemeinschaft der Dunklen lauschten, wichen vor den beiden Vermummten furchtsam zurück.
In ihren Augen stand die Furcht, das gleiche Schicksal zu erleiden wie diese bedauernswerten Menschen.
Der Aufenthalt in den Toten Räumen, die von Valdec seit vielen Jahren als Internierungslager für politische Gegner und besonders für Treiber benutzt wurden, hatte gefährliche Auswirkungen auf die menschliche Psyche. Die Stille, die Dunkelheit, die Monotonie der dämmrigen Kavernen verschafften den Häftlingen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, lähmten die Gedanken. Der einzige Ausweg schien in der Anpassung zu liegen. Und am Ende dieses unterbewußten Prozesses standen die Dunklen.
Furcht vor Licht, die in unkontrollierten Haß und Zerstörungswillen umschlug, bestimmte das Leben dieser Menschen. Früher, so wußte der Riemenmann, waren die Dunklen allein durch die finsteren Kavernen der Toten Räume gezogen, hatten die Einsamkeit gesucht. Erst Rosen war es gelungen, die Kranken zu vereinigen und ihrem Dasein einen fast religiös anmutenden Sinn zu geben.
Die Gesellschaft der Dunklen zog nun in großen Horden durch das Gewirr der unterirdischen Gänge, auf der Jagd nach Lichtquellen und unvorsichtigen Häftlingen, die sich zu weit in die Tiefen vorwagten.
In den letzten Jahren war das Gebiet der Normalen immer kleiner geworden. Nur in einem engen Kreis um den Wohntrakt herrschte noch die rötliche Helligkeit, die allein den Vormarsch der Dunklen zu stoppen schien.
Der Riemenmann lächelte bitter und zerrte den Vermummten weiter. Natürlich wußten die Wächter in den oberen, verschlossenen Etagen von den Zuständen in den Toten Räumen, aber es schien sie nicht sonderlich zu interessieren.
Rosen wurde von ihnen nicht gebremst.
Vielleicht, dachte Llewellyn 709 und fröstelte unwillkürlich, ist es Valdecs Ziel, seine Gegner auf diese Weise zu vernichten, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen.
Er schüttelte mürrisch den Kopf und begegnete Angilas undefinierbarem Blick.
Die Treiberin nickte dem dunklen Tunnel zu.
»Rosen und seine Bande warten noch immer«, sagte sie rauh. »Vermutlich haben sie irgendwie erfahren, daß wir zwei neue Fälle haben. Was hast du vor?«
Der Riemenmann winkte Cloud zu, der die inzwischen wieder zu Bewußtsein gelangte Frau umklammert hielt, und stieß den Vermummten in die Finsternis des Tunnels.
»Schöne Grüße an Rosen«, murmelte er.
Die Frau löste sich aus Clouds Griff und eilte mit flatternden Decken davon. Rasch war sie verschwunden.
Der Gesang der Dunklen wurde zu einem einzigen lauten Aufschrei, in dem nicht nur Triumph, sondern auch eine verhaltene Drohung lag. Kurz darauf herrschte wieder Stille.
Altamont O’Hale entspannte sich. »Sie sind fort«, teilte er mit belegter Stimme mit. »Offenbar haben sie nur auf die beiden gewartet.« Er sah sich um. »Was machen wir nun?«
Der Riemenmann hob eine Hand und bat um
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