Die Terranauten 009 - Die Stunde des Riemenmanns
menschlichen Ratten, die durch die Trümmer schleichen.«
»Wie lange ist das her?« mischte sich Angila ein.
Hanstein stimmte wieder in sein meckerndes Gelächter ein. »Weiß ich nicht genau, Lady«, krächzte er. »Zwanzig, dreißig Jahre. Vielleicht mehr. Hier in den Trümmern verliert die Zeit ihre Bedeutung. Man ändert seine Einstellung.«
Angila schenkte ihm ihr reizendstes Lächeln und ging langsam auf ihn zu. »Und was wollen Sie jetzt tun, Hanstein?« fragte sie leise.
Hanstein musterte sie ausgiebig. Was er sah, schien ihm zu gefallen. Er verzog den Mund zu einem zahnlosen Lächeln. »Sie gefallen mir, Lady«, knurrte er mit funkelnden Augen. »Sie gefallen mir sogar verdammt gut. Wenn ich vorgehabt hätte, Sie umzubringen, würde ich jetzt reuevoll darauf verzichten.«
»Hatten Sie denn vor, uns zu töten?« erkundigte sich Tout mit düsterem Gesicht.
Hanstein schüttelte den Kopf. »Nein. Die Feinde des Konzils sind meine Freunde. Auch wenn Sie sich wie Narren benommen haben. Außerdem hat der Vater eines ihrer Führer uns oft unterstützt. Der alte Growan terGorden war … Ach was, das ist zu lange her.«
»Und der Laser?« Tout schien noch immer mißtrauisch zu sein.
»Ich habe nur etwas gegen psionische Schnüffler«, verriet Hanstein mit einem schiefen Grinsen. »Als ich noch Manag war, hat man mich zwar immunisiert, aber ich kann es einfach nicht leiden, wenn jemand auch nur versucht, in meinen kleinen grauen Zellen herumzuwühlen.«
»Sie wollen uns helfen?« fragte Llewellyn 709 überrascht.
»In der Tat!« Hanstein musterte ihn ironisch. »Kellerasseln müssen zusammenhalten. Meinen Sie nicht auch?«
»Und wie«, fuhr der Riemenmann gelassen fort, »haben Sie sich das vorgestellt? Oben wimmelt es von Grauen. Sobald wir auch nur einen Fuß auf die Straße setzen, sind wir erledigt!«
Der Noman drehte sich abrupt um. »Kommen Sie«, rief er. »Wenn Sie etwas Initiative entfaltet hätten, statt wie die Schlachtlämmer auf den Metzger zu warten, wären Sie schon lange von allein darauf gestoßen.«
Kichernd eilte er zu dem Gerümpelberg, der sich bis zur hohen Decke stapelte, preßte sich dicht an die Wand, glitt zur Seite und war plötzlich hinter dem Schutt verschwunden. Nur sein Scheinwerfer leuchtete noch schwach durch die feinen Ritze in den verrosteten und verrotteten Metall- und Kunststoffabfällen.
Hastig folgten ihm die Treiber.
Als der Riemenmann die Wand erreicht hatte, stieß er einen überraschten Laut aus.
Hinter dem Trümmerstapel befand sich gut verborgen der Eingang zu einem unterirdischen Tunnel.
*
Ihnen schien es, als seien Ewigkeiten vergangen, als sie das Ende des Tunnels erreicht hatten.
»Früher diente er der Zivilverteidigung als Verbindung zwischen den Luftschutzkellern«, hatte Hanstein erklärt. »Der Großteil des Tunnels ist zerfallen, aber dieser Teil widerstand den Beben, die im 21. Jahrhundert die Erde umkrempelten. Vermutlich weiß kein Mensch mehr von seiner Existenz – das heißt, bis auf uns Nomans.«
Der Riemenmann schob sich hinter Hanstein die steile Rampe hinauf und spürte einen kühlen Luftzug. Geröll bröckelte unter seinen Füßen.
Hanstein schaltete den Scheinwerfer aus und wartete, bis der Treiber ihn erreicht hatte.
Llewellyn 709 blinzelte verblüfft.
Sie befanden sich am Rand der Ruinenstadt.
Vor ihnen flackerten die Lichter des neuerbauten, modernen Berlins, überstrahlt von den hellerleuchteten Zwillingstürmen der Kaiserzentrale.
Die Patrouillen der Grauen lagen hinter ihnen.
Sie hatten es geschafft!
Hanstein kicherte. »Was sagen Sie nun, Treiber?« fragte er mit unverhülltem Stolz.
Der Riemenmann sah ihn an. »Wir sind Ihnen großen Dank schuldig, Hanstein«, erwiderte er ernst. »Ohne Ihre Hilfe wären wir verloren gewesen.«
Der Noman winkte ab. »Danken Sie der Lady«, sagte er und nickte Angila zu. »Einer schönen Frau kann ich einfach nicht widerstehen.«
Tout schnitt eine Grimasse. »Und was nun?« brummte er. »Es dürfte nicht sehr klug sein, einfach in die Stadt hineinzuspazieren. Angila, Sardina und ich könnten zur Not als Relax oder Arbiter durchgehen, aber wenn dich jemand sieht, Llewellyn …«
Der Noman grinste. »Euer Freund ist in der Tat sehr exzentrisch gekleidet.« Er nickte spöttisch. »Aber ich habe einen Vorschlag.«
»Und der lautet?« Der Riemenmann blickte wieder zu den Lichtem Berlins hinüber.
»Wenn ihr euch in Richtung Westen bewegt und vermeidet, den Grauen über den Weg
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