Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule
es widert mich jetzt schon an, wenn ich daran denke, wie wir uns ab heute belauern werden. Wo ist übrigens Jonsson?«
»In seinem Zimmer. Ein paar Minuten bevor du kamst, war ich noch bei ihm. Er scheint krank zu sein. Ißt kaum, ständig müde und gereizt. Aber ihm hat es hier von Anfang an nicht gefallen. Er vermißt die Abwechslungen, die ein Leben als aktiver Treiber bietet.«
»Na, über Abwechslung kann ich mich eigentlich nicht beklagen. Ich bin fast Tag und Nacht auf den Beinen.«
Santiago warf ihm einen gutmütig spöttischen Blick zu.
»Tu nicht so«, sagte er. »Das ist genau das Leben, das dir Spaß macht.«
»Wenn du meinst.« Shadow beugte sich nach vorne, um besser hinaussehen zu können. »Lande den Gleiter hinter den Labors. Ihr verteilt euch auf dem Gelände und haltet die Augen offen. Ich rufe Myriam.«
*
Gayheen stolperte keuchend zu seinem Mobil und war froh, als er sich an der Seitenwandung abstützen konnte. Sein Kopf schmerzte zum Zerspringen, und er konnte schlecht atmen, weil seine zerschlagene Nase immer noch blutete.
»Verdammte Relaxbanden!« murmelte er grimmig und massierte vorsichtig seine Rippen, die ebenfalls angeknackst zu sein schienen. »Ein Glück, daß ich nichts bei mir hatte, das zu stehlen sich gelohnt hätte.«
Er sank auf den Sitz, der sofort in eine liegende Position zurückglitt, und aktivierte das Mobil, dessen Kurs vorprogrammiert war. Leise summend schoß es über die ebene Fläche des Stadtviertels und in einen der Fahrtunnel hinein, die unter den Arkaden der Stadt hindurchführten.
Gayheen zog den Kommunikator herunter. »Team loc!« sagte er scharf. »Sofortiger Einsatz! Palastgelände absperren! Myriam terGorden in Gewahrsam nehmen, sollte sie versuchen, den Palast zu verlassen!«
Myriam hatte vor sechs Tagen mit den Injektionen aus Yggdrasils Mark und Nahrungssäften begonnen, um ihren Körper auf einen direkten Anschluß an den Baum vorzubereiten, und seit dieser Zeit konnte sie nicht mehr schlafen. Es war nicht Sorge über den Ausgang ihres Selbstversuchs oder ihre Gesundheit, die sie wachhielt, sondern eine eigenartige Angespanntheit, die Schlaf unmöglich machte. Sobald sie die Augen schloß und eindöste, wirbelten fremde Stimmen, Gedanken und Symbole durch ihr Bewußtsein. Bedeutungslose Fetzen, die verschwanden, bevor sie auch nur den Versuch machen konnte, sie zu einem Bild zusammenzusetzen.
An diesem Abend hatte sie ein starkes Schlafmittel eingenommen, um endlich einmal zur Ruhe zu kommen. Growan war, seit er von ihrer Schwangerschaft wußte, in einen anderen Schlafraum umgezogen. Er schob ihre Überreiztheit auf ihren Zustand und wollte ihr die größtmögliche Ruhe bieten.
Ihr Schlaf glich eher einer Betäubung, in die die unverständlichen Stimmen nicht eindringen konnten. Aber da war noch etwas anderes: klarer, deutlicher, näher und vertraut. Myriam bewegte sich unruhig. Der Ruf bohrte sich in ihr Bewußtsein wie eine Nadel und löste Angst aus. Ihr Gehirn kämpfte sich aus dem schweren Nebel der Schlafdroge in einen Zustand des Halbschlafs. Im gleichen Moment drang der Impuls mit voller Kraft in ihr PSI-Zentrum und riß sie gewaltsam aus ihrem Dahindämmern.
Myriam war hellwach, aber ihre Augen, ihr Kopf schmerzten, und ihr Körper wehrte sich gegen jede Bewegung. Das durch die plötzliche Reaktion überforderte Herz schlug hart und mühsam. Trotzdem sprang sie aus der Schlafmulde, streifte die erstbesten Kleidungsstücke über, die sie finden konnte, und hastete zur Tür. Der Impuls, der in sie eingedrungen war, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig – Flucht! Sie mußte fliehen, um nicht in dem Palast festgehalten zu werden, und daß sie die Botschaft so klar empfangen hatte, konnte nur bedeuten, daß sie von Shadow kam, dem einzigen der Treiber, mit dem sie schon eine längere telepathische Verbindung gehabt hatte.
*
Shadow rieb sich die Stirn und die Augen, um die überwältigende Erschöpfung loszuwerden, die ihn gefangenhielt. Die Müdigkeit erinnerte ihn daran, daß er noch nicht wieder völlig gesund war und sich besser in ein Bett gelegt hätte.
Er lief Carlos entgegen, der aufgeregt zum Himmel deutete.
»Graue«, sagte er lakonisch. »Und jetzt?«
»Ich habe Myriam erreicht. Wenn sie sich beeilt, müßte sie gleich kommen, und wir könnten es zum Tal schaffen. Wenn nicht, müssen wir die Grauen eben beschäftigen. Lauft nach verschiedenen Richtungen auseinander, aber so, daß sie euch auch
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