Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule
doch wirkte sie wie die Herrscherin des Tales.
*
»Nach meinen Informationen hat sie um den unteren Teil von Yggdrasils Stamm eine Art Zelt errichtet, in dem sie sich die meiste Zeit aufhält. Neben medizinischen Apparaturen steht eine Pritsche darin, auf der sie liegt, solange die Verbindung dauert«, berichtete Gayheen. »Sie hat ihren Lymphkreislauf mit dem des Baumes verbunden und kehrt jeden Tag nur für ein, zwei Stunden in die Höhle zurück.«
»Wie sieht sie aus?« fragte Growan, ohne den Kopf zu heben. Er war in Gala für die monatliche Konferenzschaltung, an der sämtliche General-Manags Terras teilnahmen.
»Schlecht. Sie ist kaum noch wiederzuerkennen, ist sehr aggressiv und befindet sich in einer ständigen Halbtrance.«
Growan krampfte die Hände ineinander. »Es war mein Fehler«, murmelte er. »Ich hätte nicht versuchen sollen, sie einzusperren, um sie ganz für mich allein zu haben. Bei einer Frau ihrer Art konnte es nicht gutgehen. Wenn ich ihr die Freiheit gelassen hätte, weiter an dem Projekt zu arbeiten, damals … Und als wir sie letztens in Ödrödir besuchten, habe ich auch nicht die richtigen Worte gefunden.«
Er nahm sein Barrett ab, legte es neben sich und strich mit beiden Händen nervös über seine Halbglatze.
Gayheen beobachtete ihn kühl. »Es war nicht Euer Fehler«, sagte er behutsam. »Es ist die Schuld dieser Treiber, mit denen sie zu tun hatte. Sie war zu oft mit ihnen zusammen und hat sich zu leicht von ihnen beeinflussen lassen. Schließlich hat sie die Legenden der Treiber für bare Münze genommen, vielleicht auch, weil sie nicht einsehen wollte, daß es keinen besonderen Grund für die Treiberkräfte der Misteln gibt.«
Growan nickte bedächtig. »Ganz recht. Sie war in den Labors mit ihnen zusammen und bewohnte außerdem dasselbe Gästehaus wie die Treiber. Damit war sie ständig ihrem Einfluß ausgesetzt.«
Gayheen verschränkte die Arme vor der Brust. Er stand an eine Wand gelehnt und konnte auf Growan herunterblicken, der auf einem Polster in seinem Wohnraum saß.
»Es könnte auch sein, daß ihre Experimente, ihre Flucht aus dem Palast gar nicht ihre eigenen Ideen waren. Vielleicht hat man sie gezwungen, mit einer Droge oder einem psionischen Befehl gefügig gemacht.«
Growan setzte sich plötzlich auf und hob den Kopf. »Das wäre möglich!« sagte er mit überraschender Lebhaftigkeit. »Es ist sogar sehr wahrscheinlich. Myriam ist doch eine vernünftige Frau. Von sich aus wäre sie nie auf so hirnverbrannte Gedanken gekommen. Sie wird von den Treibern psionisch manipuliert – natürlich! So etwas hat es schon gegeben.«
Gayheen mußte sich abwenden, damit Growan sein Gesicht nicht sehen konnte. Einen dermaßen leichten Sieg hatte er nicht erwartet. »Dieser Merlin, zum Beispiel«, meinte er, »eine äußerst verdächtige Person. Seine Geschichte, wie er nach Ödrödir gekommen sein will, ist doch mehr als unglaubwürdig. Ich verstehe natürlich, daß Ihr Myriam nicht bloßstellen wolltet, als sie Euch mit dem alten Mann bekannt machte, aber es wäre doch an der Zeit, ihn in Gewahrsam zu nehmen, zu verhören und unschädlich zu machen.«
»Ich werde die Treiber morgen zusammenrufen«, sagte Growan und stand auf. Seine Augen funkelten. »Ich werde ihnen sagen, daß sie Grönland verlassen müssen. Wenn sie abgereist sind, werden wir uns mit Merlin befassen. Für Myriam werde ich Ärzte anfordern, Spezialisten, die ihr helfen können.«
»Ausgezeichnet. Aber die Treiber werden nicht gehen wollen. Wenn sie die Sache mit Myriam und Yggdrasil ins Rollen gebracht haben, werden sie ihr Vorhaben nicht so einfach aufgeben.«
»Dann sehe ich mich leider gezwungen, Gewalt anzuwenden. Schließlich untersteht Grönland meiner Herrschaft, und ich kann bestimmen, wen ich in meinem Gebiet haben will und wen nicht.«
»Gewalt anwenden?« erkundigte sich Mar-Estos, der durch die Tür kam und die letzten Worte mitgehört hatte. »Treiben sich unliebsame Personen in Ultima Thule herum, die du loswerden möchtest?«
Gayheen biß sich auf die Lippen. Das Vergnügen über seinen geglückten Versuch, Growan gegen die Treiber aufzuhetzen, das sich so deutlich in seinem Gesicht abgezeichnet hatte, machte schlagartig einem ebenso überwältigenden Haßgefühl Platz.
»Allerdings!« sagte Growan. »Entschuldige, daß ich mich ein wenig verspätet habe, Mar-Estos, aber ich habe eben mit Clint noch einige Dinge betreffs der Treiber geklärt. Wir können gleich gehen. Ich
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