Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule
die heldenhaften Worte nur noch lächerlich. Es war viel einfacher, den Befehlen Folge zu leisten. Warum sollte er sich foltern lassen? Sie würden einen anderen finden, der an seine Stelle trat und nicht so dumm war, ihre Angebote auszuschlagen. Außerdem – war es denn nicht gleichgültig? Yggdrasil, die Misteln, die Terranauten? Unwichtige, aufgebauschte Schlagworte. Was kümmerte es ihn, wer an Misteln Geld verdiente oder nicht, und ob Valdec eine Energie erfand, die Terra vernichten konnte? Alles Dinge, um die sich spätere Generationen kümmern sollten. Für ihn würde Terra schon noch reichen, und er hatte nur ein Leben.
Flüchtig kam ihm zu Bewußtsein, daß die Droge, die sie ihm eingepflanzt hatten, schuld an seiner Gleichgültigkeit war, aber ihm fehlte die Kraft, sich darüber Gedanken zu machen.
»Ist gut«, murmelte er uninteressiert. »Ich werde es tun. Warum auch nicht? Aber jetzt will ich gehen.«
Der maskierte Graue, der mit ihm gesprochen hatte, sah ihm nach, als er aus der Tür ging, wo er von zwei Grauen in Empfang genommen und zu einem Gleiter geführt wurde.
»Erschreckend«, sagte er zu dem rotgesichtigen Mann, der sich damit beschäftigte, seine Instrumente einzupacken. »Nur noch ein nasser Lappen. Wie lange hält die Droge?«
»Mindestens ein Jahr«, antwortete der Mann gleichgültig. »Die Kapsel gibt geringe Dosen ab, die ihn in dem jetzigen Zustand halten. Er wird sich nicht merklich verändern, nur sein Wille ist geschwächt. Da er ohnehin über wenig Eigeninitiative verfügte wird er sich nicht die Mühe machen, über sein Tun nachzudenken. Du kannst dich beruhigt auf ihn verlassen.«
*
»Was ist daran verkehrt, daß Myriam einen der Gardisten als Leibwächter und Chauffeur hat?« fragte Growan entgeistert. »Sie kann sich doch frei bewegen. Ganz Grönland steht zu ihrer Verfügung.«
»Ganz Grönland – mit Ausnahme der Plätze, die sie nicht aufsuchen darf!« erwiderte Mar-Estos laut. Es kostete ihn Überwindung, den Bruder seiner Mutter nicht anzuschreien. »Und sie wird ständig überwacht. Gayheen hat mir gegenüber zugegeben, daß sie von den Treibern und der Arbeit an Yggdrasil isoliert werden soll.«
»Isoliert? Also wirklich!« Growan trommelte auf die Armlehnen seines Sessels. »Clint ist da vielleicht ein wenig radikal vorgegangen, aber eigentlich sind seine Maßnahmen ganz in meinem Sinne. Myriam braucht Ruhe, um sich auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten zu können. Sie ist nicht mehr Chefbiologin und hat darum auch keine Beziehung mehr zu den Treibern. Je eher das klar ist, desto besser. Myriam lebt jetzt in einer anderen Welt – in meiner Welt.«
»Findest du es denn nicht demütigend, daß sie wie ein kleines Kind beaufsichtigt wird und nicht selbst entscheiden kann, mit wem sie Kontakt haben will?«
Growan runzelte die Stirn und betrachtete Mar-Estos unter gesenkten Augenbrauen.
»Ich weiß, daß du ihr einmal nahegestanden hast«, meinte er großzügig. »Es ist lobenswert, daß du dich immer noch für sie einsetzt. Aber vergiß nicht, daß Myriam jetzt zu mir gehört. Sie hatte sich sehr in ihre Arbeit am Projekt Yggdrasil vertieft, und es bereitet ihr gewisse Schwierigkeiten, sich davon zu lösen. Die Maßnahmen Gayheens helfen ihr dabei. Mit der Zeit wird sie die Treiber und Yggdrasil vergessen, und dann werden auch die unbedeutenden Beschränkungen aufgehoben, denen sie jetzt unterliegt.«
»Du behandelst sie wie eine Gefangene.«
Die Tür zu Growan terGordens farbüberladenem Besucherraum öffnete sich. Myriam kam herein, gefolgt von Clint Gayheen, der sich schweigend neben terGordens Stuhl stellte und Mar-Estos einen spöttischen Blick zuwarf.
Myriam nahm an der anderen Seite Growans auf der Armlehne Platz.
»Wir sprachen gerade über deinen Leibwächter, Myriam«, sagte Mar-Estos, »und über die Manipulation deiner Kommunikationsanlage. Was hast du dazu zu sagen?«
Myriam sah ihn an. »Nichts!« sagte sie. »Es ist alles in Ordnung.«
Ihre Worte klangen so echt, daß Mar-Estos fast glaubte, Myriam sei wirklich mit der Bevormundung durch Gayheen einverstanden. Nur in ihren unruhigen Augen konnte er erkennen, was sie wirklich meinte.
Abwarten! sagte ihr Blick. Jetzt sind die andern am Zug, aber unsere Zeit kommt!
*
Es war der Vorabend von Growan terGordens und Myriams Hochzeit. Schon seit dem frühen Morgen war die Bevölkerung Ultima Thules unterwegs. Über den vollgestopften Fließstraßen und Arkadengängen, in denen
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