Die Terranauten 032 - Die Verbannten von Oxyd
befreit und sie nicht ihrem Schicksal überlassen? Dadurch wurden sie zu einem Problem für die kleine Gemeinschaft auf Phönix. Die Queen ahnte, daß es noch zu Machtkämpfen kommen würde, denn Treiber und Graue Treiber waren gewissermaßen natürliche Feinde mit konträren Absichten und Zielen. Bis hierher reichte nicht der Arm des Gesetzes. Die Grauen vertraten das Konzil überall – bis in den Tod hinein. Das war die Lebensaufgabe der Grauen Garden.
Mit unheilschwangeren Gedanken setzte Somar-Ellen ihren Weg fort. Der Hauptmann an ihrer Seite schickte ihr einen Gedankenimpuls. Somar-Ellen vernahm ihn, als würde der Mann normal zu ihr sprechen: »Was war das?«
Die Queen erklärte ihm kurz, wie sie es aus ihrer Sicht sah.
»Ein Grund mehr, daß du mich rettest, Queen«, kommentierte er respektlos.
Queen Somar-Ellen blieb kurz stehen. Ihre Zornesader schwoll deutlich.
»Ich verbitte mir diese Vertraulichkeit!« schnarrte sie.
Der Hauptmann hörte zwar nicht die Worte, verstand jedoch den Sinn ihrer Gedanken.
»Tut mir leid, Queen, aber besondere Umstände erfordern eine besondere Verhaltensweise. Vergiß nicht, daß wir Grauen Treiber alle gleich sind. Die Einstufungen in die Rangordnung der Garden geschah mehr oder weniger willkürlich. Vorher hat es das nie gegeben. Man führte es nur ein, weil wir als Treiber nicht mehr gebraucht wurden. Ein Grauer Treiber gehorcht normalerweise nur seiner Mater, also der Führerin einer Treiberloge auf einem Gardenschiff. Für mich sind die Rangordnungen nur von sekundärer Bedeutung. Zur Zeit ist Zusammenarbeit vonnöten und die Behauptung hierarchischer Prinzipien ohne Sinn. Das bedeutet nicht, daß ich dich als Queen ablehne, aber ich bin in erster Linie Grauer Treiber und erst in zweiter Linie Hauptmann der Garden.«
»Das war deutlich«, knurrte Queen Somar-Ellen und überlegte, wie sie sich verhalten sollte. War es notwendig, auf ihrer Stellung als Queen zu beharren? Brachte es ihr am Ende nur Schwierigkeiten, wenn sie den Umgangston der Garden hier einführte?
»Wie heißen Sie eigentlich?«
»Ich bin Hauptmann Ramus, Queen. Und noch einmal: Ich vertrete den Standpunkt, daß …«
»Ersparen Sie sich solche Erklärungen, Hauptmann«, entgegnete sie eisig. »Ich gebe Ihnen insofern recht, daß wir uns in einer besonderen Situation befinden, aber …«
»Mit Verlaub, Queen Somar-Ellen, aber so lasse ich nicht mit mir umspringen. Das kannst du mit einem dieser Gehirnamputierten machen, aber ich habe mir als Grauer Treiber ein Mindestmaß an persönlicher Freiheit erhalten, die ich unter keinen Umständen aufgeben werde. Die Regeln der Grauen Garden sind hier außer Kraft und gelten erst wieder bei unserer Rückkehr, wenn …«
»… wenn Sie sich verantworten müssen! Was Sie hier treiben, ist offene Meuterei.«
»Bei allen Sternengötzen: Wenn ich dir die Faust aufs Hirn setze, kannst du von Meuterei reden. Vielleicht wird das bald geschehen, denn du bist offensichtlich unfähig zur Menschenführung. Dir werde ich schon noch beibringen, wer hier das Sagen hat. Es gelten Intelligenz, Flexibilität und Stärke, wobei keineswegs Lautstärke der Stimme zu verstehen ist. Du mußt dich schon anstrengen, deinen Rang zu behalten, sonst laufe ich ihn dir ab.«
Somar-Ellen brauchte nicht lange nachzudenken. Sie ließ den Hauptmann los und sprang zurück. Dabei lachte sie hart.
»So, Hauptmann Ramus, noch ein Wort zum Abschied: Eine Queen hat Macht über Leben und Tod. Hiermit verurteile ich dich wegen Meuterei zum Tode!«
Aber auch Hauptmann Ramus lachte.
»Tu, was du nicht lassen kannst, Queen. Jeder sieht es, wie unfähig du bist. Jetzt gehst du sogar dazu über, die Kampfkraft deiner Mannschaft zu reduzieren, nur um nicht um deinen lächerlichen Titel bangen zu müssen.«
Er sank ein bis zu den Knien, machte aber keinerlei Anstalten, etwas dagegen zu unternehmen.
»Aber vielleicht überlegst du dir diesen Schritt noch einmal, he? Man hat mich zum Hauptmann erhoben, weil ich ein guter Kämpfer bin und darüber hinaus ein starkes PSI-Potential vorzuweisen habe. Merkst du das nicht? Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten für dich: zu verlieren, indem du mich meinem Schicksal überläßt, oder zu verlieren, indem du mich rettest. Letzterer Verlust wird geringer sein. Wir brauchen jede starke Hand, um beim bevorstehenden Kampf zu überleben.«
Somar-Ellen erkannte resignierend, daß Hauptmann Ramus recht hatte.
Sie hatte sich zu sehr auf die Gesetzesmäßigkeit
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