Die Terranauten TB 02 - Der grüne Phönix
zerstören. Nichts, verstehst du? Du hattest Alpträume. Ich habe dich sprechen gehört, im Schlaf. Von wahrscheinlichen Wahrscheinlichkeiten und anderen unverständlichen Dingen. Von David terGorden. Von einer verseuchten Erde. Glaub mir, es war nur ein Traum.«
»Nein.« Sheshonas Verwandte und Freunde blickten betreten zur Seite. Ihre Gesichter machten deutlich, was sie von der ganzen Sache hielten. »Ob ihr mir glaubt oder nicht: Ich muß nach Ultima Thule. Und jede Minute ist kostbar.«
»Merina, du …«
»Ihr glaubt mir nicht.« Eine nüchterne Feststellung jetzt, weiter nichts. Sie schickte sich an, die Treppe in der Rinde des Baumriesen zu betreten. »Dann mache ich mich jetzt auf den Weg.«
»Allein?« Curns Verwirrung wuchs weiter. »Du kennst die Variökologie nicht. Du weißt nicht einmal, in welcher Richtung Ultima Thule liegt.« Er zögerte kurz und warf Verwandten und Freunden einen raschen Blick zu. »Gut. In Ordnung. Ich komme mit dir.« Er lachte. »Ich wollte ohnehin schon immer hinaus und mehr von der Welt sehen. Warum nicht jetzt? Eine Gelegenheit ist so gut wie jede andere.«
Er unterhielt sich kurz mit seinen Eltern. Merina konnte die Worte nicht verstehen, aber sie entnahm den Gesten, daß Curns Vorhaben nicht gerade auf Beifall stieß. Schließlich kehrte er zu ihr zurück.
»Komm«, sagte er und betrat die erste Stufe aus fester Borke. »Du sagtest ja, du hättest es eilig.«
»Curn, ich …« Sie verschluckte die letzten Worte.
»Gut, gehen wir.«
Sie hatten etwa die Hälfte des Weges hinab zum Grund der Welt zurückgelegt, als Merina einen Suchgedanken bemerkte, dessen Struktur ihr bekannt erschien. Sie blieb stehen, horchte und – erschrak. Es waren ihre drei Verfolger, die Gedankenmörder. Rasch schloß sie ihren psionischen Sinn und versiegelte alle Zugänge. Nur noch stumme Gedanken.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Curn Sheshona betrachtete sie besorgt. Merina wußte, daß auch er ihr nicht glaubte.
»Doch«, sagte sie und setzte sich wieder in Bewegung. »Es ist alles in Ordnung. Alles in bester Ordnung.«
Kein Angriff. Ihre Verfolger hatten sie also offenbar nicht lokalisieren können.
Merina fragte sich plötzlich, ob ihr Vorhaben überhaupt noch einen Zweck hatte. Vielleicht betrat der Grüne Phönix genau in diesem Augenblick die Erde.
*
Nebbia, 4. Februar 2510
Außerhalb der Lichthäuser war es kühl. Wind wehte von Osten, und wenn man hinaufblickte, dann konnte man die anderen Schichten des Wolkenozeans erkennen: dick und grau, nicht atembar für Menschen, tödlich für alles nichtnebbianische Leben.
Narda fröstelte und zog den Umhang enger um ihre Schultern. »Warum kann der, Phönixjünger nicht wie wir alle in einem Lichthaus wohnen?«
Sie setzten sich in Bewegung. Asen-Ger wirkte sehr nachdenklich und hatte in den letzten zwei Stunden kaum ein Wort gesprochen. Nayala warf immer wieder mißtrauische Blicke um sich, als fürchtete sie, es könne jeden Augenblick zu einem weiteren Anschlag kommen. Piter VanLoren starrte geradeaus auf die Tiefenwolken, die ihm beinah zum Verhängnis geworden waren. Mandorla und Duryea Ankrum waren in ihre Unterkunft zurückgekehrt und konferierten mit den Vertretern der Grünen Föderation.
Die Treppe war ausgetreten, der Granit mit einem dünnen, glitschigen Feuchtigkeitsfilm überzogen. Der Wind lebte nun auf und blies ihnen seinen frostigen Atem entgegen. Die Stufen führten steil in die Tiefe. Wer hier ausrutschte, lief Gefahr, irgendwo weit unten zwischen Felsmonolithen zerschmettert zu werden oder weiter hinabzufallen, bis er hineinstürzte in die weiße Wolkengischt, die nun wie in Zeitlupe hochschäumte und vom Wind gegen die Felsen der Atemoase geschoben wurde. Die Unterkunft des Phönixjüngers befand sich nur ein knappes Dutzend Meter über der lautlosen Brandung aus herandriftender Giftluft. Es war ein Bionest, ein hausähnliches Gebilde aus kontrolliert gewachsenem organischem Material.
Asen-Ger zögerte, und Narda sagte: »Wir haben keine andere Wahl. Und außerdem wollen wir ja nur mit ihm sprechen.«
Sie trat vor und schob den Gewebelappen zur Seite, der vor dem Eingang hing.
Im Inneren erwartete sie sanfte Helligkeit, hervorgerufen von Leuchtadern in den graugrünen Wänden.
Und Stille.
»Hallo?« Keine Antwort. Narda schritt ins Innere. Noch immer blieb es still.
»Er scheint nicht hier zu sein.«
»Er muß hier sein.« Es war Piter VanLoren anzusehen, daß er sich ganz und gar nicht
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