Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster
BITTE GEBEN SIE IHRE ID-KARTEN EIN.
Gral sah auf. »Hast du …« begann er, aber die Frau reichte ihm bereits das grüne Plastikkärtchen. Er legte sie zusammen mit seinem ID-Ausweis auf die Fotoplatte des Terminals.
Der Schriftzug auf dem Monitor wechselte.
ALS TRAUZEUGEN HABEN BEREITS DAUN, VIKTOR, UND JARREUX, ANATOL, DIE TRAUUNG BEGLAUBIGT.
Gral lächelte schwach. Der Generaldirektor hatte an alles gedacht.
Wieder flimmerte es über den Bildschirm.
HIERMIT SIND SIE, GRAL, THOMAS FRANK, UND SIE, TERZA, SYLKE, MANN UND FRAU.
»Keine Fanfare?« spottete Sylke. »Und wo bleibt der Ring?«
Gral hob irritiert den Kopf.
»Der Ring«, brummte er nachdenklich. »Der Ring für viele Finger …«
Die blonde Frau fuhr zusammen; unmerklich nur – oder täuschte er sich? Mißtrauen erwachte in Gral.
»Ist etwas?« fragte er.
»Nichts.« Sylke Terza zuckte die Achseln. »Ich habe mich nur über deine … Antwort gewundert. Der Ring für viele Finger.« Sie sah ihn scharf an. »Ist das eine neumodische Bezeichnung für einen Trauring?«
»Möglich.« Gral ließ sich in dem gepolsterten Schreibtischsessel nieder. Er litt plötzlich unter Kopfschmerzen. Der Tag fängt gut an, sagte er sich. Einfach wundervoll. Er saß da und starrte die Wand an. Bis auf ein winziges, kaum handtellergroßes gerahmtes Bild war sie leer. Dieses Bild … Es war ihm schon früher aufgefallen.
Gral stand auf und trat näher.
Ein Foto. Ein zweidimensionales Foto. Es zeigte das Schwarz des Weltraums und das Gefunkel ferner Sterne, und über dem Mosaik der hellen Punkte erstreckte sich ein hauchdünner Schleier.
»Was ist das?« fragte Gral. »Weißt du es?«
Sylke Terza strich ihr Haar zurück. »Eine Aufnahme irgendeiner alten Raumsonde. Der Schleier ist ein Ausschnitt des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter. Dennis gefiel das Foto. Er hat sich schon als kleiner Junge für alles begeistert, was mit dem Weltraum und den interplanetaren Sonden zusammenhängt.«
Sie sah auf ihren Chronometer.
»Es ist spät. Ich muß gehen. Kommst du heute abend in die Villa?«
Gral betrachtete sie nachdenklich. »Vielleicht. Ich glaube schon. Es kann spät werden …«
Sarkastisch sagte er sich: Rührend. Was ist, wenn ich komme? Bringst du mir meine Pantoffeln? Kochst du mir mein Lieblingsgericht? Oder begrüßt du mich an der Tür im Neglige?
Die Frau – seine Frau – nickte ihm zu und verließ das Büro.
Einen Moment stand Gral noch reglos da, wie gelähmt von der Irrealität der Situation, dann hastete er durch das Zimmer und blieb vor dem Wandsegment stehen, hinter dem er Zamuels Spezialsafe wußte.
Engramm-3, dachte er.
Gral hob die Hand und preßte sie gegen die Korktapete. Offenbar hatte Daun auch die Elektroniksicherung des Safes auf sein ID-Muster umprogrammieren lassen.
Ein Teil der Wand glitt zur Seite und enthüllte den Stahl der Safetür. Nach einem Klicklaut schwang die Tür auf. Eine verborgene Lampe erhellte das Innere des Safes.
Gral sah Mikrofilmspulen, Programmbänder und einen Stoß Dokumentenmappen.
Er griff nach der zuoberst liegenden Mappe.
Seine Hand zitterte unwillkürlich, als er die Aufschrift las.
GEHEIM!
NUR KATEGORIE A
Engramm-3
Gral schlug die Mappe auf. Ein Blatt. Ein einziges Blatt. Verblüfft überflog er den handschriftlichen Vermerk. Kein Zweifel; wie auf jenem zerknitterten Zettel, so war auch dies Zamuels Handschrift.
Wegen Engramm-3 unbedingt Rücksprache mit Jodekain halten! Die Angelegenheit muß so schnell wie möglich geklärt werden. Alpha-Priorität. Daun umgehend informieren. Z.
Jodekain, dachte Gral kopfschüttelnd. Der alte, hoffnungslos verrückte General Jodekain, der zusammen mit dem Kanzler in der Bonner Gespensterfestung haust und die Reste einer Gespensterarmee befehligt …
Die Angelegenheit muß so schnell wie möglich geklärt werden …
Was hatte des Kanzlers letzter General mit einer Eurochem-Angelegenheit zu tun, die der Geheimhaltungsstufe Alpha unterlag, also nur Daun und von ihm persönlich ausgewählten Personen zugänglich gemacht werden durfte?
Ich muß nach Bonn, sagte sich Gral. Noch heute. Ich muß erfahren, was Engramm-3 bedeutet.
Er aktivierte das Intercom.
»Direktor?« Sid Herbshire sah ihn abwartend von dem Minibildschirm des Intercoms an.
»Geben Sie mir Terjung«, verlangte Gral barsch. »Sofort.«
*
Das Motorengedröhn des Panzerfahrzeugs wurde leiser, und Gral erwachte aus seinen Erinnerungen.
Müde rieb er seine Augen.
Diese
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