Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr
mehr als tausend Meter über dem Boden des Tiefentals. Die Dunkelheit verbarg die schroffen Felsen vor ihm. Eisiger Wind ging über seinen Körper hinweg. Das feste Protopseil knisterte leise.
Ein weiteres Mal setzte Judad den Laserbohrer an. Ein matter, kaum sichtbarer Lichtschein. Dann den Verankerungspunkt. Klirren. Das Seil durch die Schlinge, sichern. Und wieder einige Meter hinab.
Er zögerte einen Augenblick, als das Bild vor seinen Augen verschwamm und sich leiser Schmerz in seinen Eingeweiden regte. Der Anfall währte nur einige Sekunden, doch er erinnerte Judad deutlich an die Pein, die ihn erwartete, wenn er nicht rechtzeitig nach Tulath und in die Obhut Dianne DasMarens zurückkehrte. Nur sie hatte das Gegenmittel. Nur sie konnte das Sanfte Fieber in ihm zurückdrängen.
Judad fluchte.
Weiter hinab. In den schwarzen Abgrund. Manchmal sah er trüben Lichtschimmer. Das mochte der Glänz der Ewigen Flammen sein, von dem Dianne ihm erzählt hatte.
Er haßte sich.
Er haßte sich für seine Schwäche. Er haßte Dianne. Er sehnte den Tod herbei, und er wußte doch, daß das Sterben nicht einfach war.
Erneut ein Verankerungspunkt. Das Knistern des Seils … viel zu laut in seinen Ohren.
Judad stellte sich vor, wie er hinabstürzte und unten zerschmettert wurde. Damit war alles vorbei: Schmerz und Pein und Qual. Eine letzte Rache an Dianne. Doch er wußte auch, daß er nicht dazu in der Lage war, sich einfach fallen zu lassen. Das Sanfte Fieber war eine heimtückische Krankheit. Und das Gegenmittel machte süchtig. Es weckte und stimulierte aber auch den Willen zum Leben.
Ein Teufelskreis.
Eine Höhlenöffnung kam näher. Noch eine Verankerung, dann befand sich Judad direkt darüber. Sein Chamäleonanzug nahm sofort die Farbe des Hintergrunds an. Optisch war er nicht zu entdecken. Nur dann, wenn er sich bewegte. Und psychisch …
Seine mentalen Sinne waren verschlossen und verbarrikadiert. Die starke Antidosis, die Dianne ihm vor seiner Abreise verabreicht hatte, hatte sein PSI-Potential reaktiviert. Er hütete sich jedoch davor, es jetzt einzusetzen. Er kannte die Fähigkeiten der Mulcalin nicht genau genug. Vieles hatte ihm Dianne erzählt, doch auch sie war in vielen Punkten unsicher gewesen. Es gab zu viele Legenden und zu wenige Fakten.
Wie ein Schatten glitt Judad in den Höhleneingang hinein.
Wärme kam ihm entgegen … eine Ewige Flamme, die über einem eigenartig geformten Stein in die Höhe züngelte. Blauer Glanz. Ein Granitopal. Weiter.
Judad achtete auf seine Abschirmung. Sie mußte fest und undurchdringlich sein. Er durfte nicht entdeckt werden. Es wäre sein Tod gewesen. Er verfluchte die Droge, die das Fieber zurückdrängte und seinen Lebenswillen näherte. Alles wäre so einfach gewesen.
Gedanken glitten an ihm vorbei. Unbewußt umherstreifende Mentalarme, gelenkt von diffusen Träumen. Schattenleguane schnaubten, als er an ihnen vorbeischlich. Er holte ein Meßinstrument hervor und blickte auf die Anzeige.
Gut. Tiefer in das Höhlensystem hinein.
Zur Schwarzen Träne.
Rachegedanken gingen Judad durch den Kopf. Bilder von Fallen und der sterbenden Dianne DasMaren. Wunschbilder, denen er sich schon so oft hingegeben hatte. Und manchmal, viel seltener … das Gesicht seiner Schwester.
Vor Judad knirschte etwas.
Gleich darauf trat ihm ein Mulcalin entgegen, gekleidet in eine schwarze Kutte, die das Licht der Warmen Flammen verschluckte, den Kopf gesenkt.
Judad trat an die Felswand und verschmolz mit den Schatten, die die knisternden Flammen warfen. Die Pigmentierung seines Chamäleonanzugs reagierte sofort.
Der Mulcalin schritt an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Judad wußte nicht, was ihn mehr erschreckte: die mentale Ausstrahlung des veränderten Menschen, oder die quasipsionische Emission des Namenssteins an seiner Halskette.
Er fragte sich, wie die ätherische Kraft der Schwarzen Träne beschaffen sein mußte, wenn schon ein winziger Namensstein so viel Kraft in sich barg.
Und weiter.
Stimmen waren mal nah und dann wieder fern. Leuchtmoose glühten in der Dämmerung. In Felsnischen schliefen Mulcalin. In anderen Nischen waren getrocknete Nahrungsmittel gestapelt, Bekleidung, Geschirre und andere Dinge mehr.
Es sah nach Aufbruch auf.
Judad taumelte, als der Schmerz des Sanften Fiebers erneut durch seinen Körper trieb. Er verlor das Gleichgewicht und prallte gegen eine Felswand.
Es knirschte.
Und die Pein … er kämpfte dagegen an. Aber das Feuer in ihm brannte
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