Die Terroristen
Bulldozer leicht schmunzelnd, »aber wir sind doch wohl kaum deswegen hier zusammengekommen.«
»Der Staatsanwalt hat Recht«, bestätigte der Richter. »Wollen Sie jetzt bitte mit dem Plädoyer anfangen, Herr Olsson.«
Bulldozer sah auf die Zuhörerin, die jedoch seinem Blick so direkt und herausfordernd begegnete, dass er nach einem kurzen Nicken zu Braket die Augen über den Richter, den Beisitzer und die Schöffen schweifen ließ, um sich danach auf die Angeklagte zu konzentrieren. Rebecka Linds Blick schien hinaus in den Himmel gerichtet zu sein, weit weg von übergeschnappten Bürokraten und anderem eventuellen Wohl und Wehe.
Bulldozer faltete die Hände auf dem Rücken und begann auf und ab zu gehen.
»Also, Rebecka«, begann er freundlich, »das, was dir passiert ist, geschieht heute leider mit vielen jungen Menschen. Wir alle zusammen wollen versuchen, dir zu helfen - ich darf doch übrigens du zu dir sagen?«
Das Mädchen schien die Frage nicht gehört zu haben, wenn das überhaupt eine Frage gewesen war.
»Rein technisch gesehen ist es eine einfache und sonnenklare Angelegenheit, die keinen großen Raum für Diskussionen lässt. Wie bereits beim Hafttermin klargestellt…«
Braket schien in Gedanken an Kongo-Kinshasa versunken gewesen zu sein, aber jetzt zog er plötzlich eine große Zigarre aus der Innentasche, zeigte damit auf Bulldozers Brust und rief:
»Ich protestiere! Weder ich noch irgendein anderer Rechtsanwalt war bei der Verhaftung zugegen. Ist dieses Mädchen Camilla Lund überhaupt über ihr Recht auf einen Verteidiger aufgeklärt worden?«
»Rebecka Lind«, verbesserte der Beisitzer.
»Ja, ja«, sagte Braket ungeduldig. »Damit ist die Verhaftung unrechtmäßig.«
»Keineswegs«, widersprach Bulldozer. »Rebecka wurde gefragt und meinte, dass es wohl keine große Rolle spielen würde. Das war auch so. Wie ich jetzt gleich beweisen werde, ist der Fall klar wie Kloßbrühe.«
»Bereits die Verhaftung war also unrechtmäßig«, wiederholte Braket entschieden. »Ich verlange, dass mein Protest ins Protokoll genommen wird.«
»Ja, dafür werden wir Sorge tragen«, beruhigte der Beisitzer.
Er amtierte im Großen und Ganzen als Sekretär, da ein Teil der älteren Gerichtssäle nicht mit Tonbandgeräten ausgestattet war.
Bulldozer verneigte sich leicht gegen das Gericht, wobei er darauf achtete, dass er jedem einzelnen in die Augen blickte.
»Vielleicht kann ich mein Plädoyer jetzt fortsetzen?«, fragte er lächelnd.
Braket blickte abwesend auf seine Zigarre.
»Also, Rebecka«, begann Bulldozer von neuem mit dem gewinnenden Lächeln, das er so gut einzusetzen wusste, »lass uns nun mal ohne Umstände und wahrheitsgemäß den Ablauf schildern, was’ mit dir am 22. Mai geschehen ist und warum das passierte. Du hast eine Bank überfallen, sicher aus Verzweiflung und unbedacht, und du hast einen Polizisten gewaltsam angegriffen.«
»Ich erhebe Einspruch gegen die Ausdrücke, die der Staatsanwalt verwendet«, unterbrach Braket. »Übrigens Ausdrücke. Da erinnere ich mich an meinen Deutschlehrer. Er …«
Offensichtlich war er in seinen Gedanken weit weg.
»Wenn sich der Verteidiger seinen Erinnerungen vielleicht in seiner Freizeit widmen würde, könnten wir alle ein bisschen Zeit sparen«, schlug Bulldozer vor.
Mehrere der Schöffen lachten, Braket jedoch sagte mit Schärfe:
»Ich protestiere gegen die Haltung des Staatsanwaltes sowohl mir als auch dem Mädchen gegenüber. Er hat übrigens kein Recht, sich um meine Gedanken zu kümmern oder sich mit meinem Innenleben zu beschäftigen. Der Staatsanwalt sollte etwas bescheidener sein. Er ist kein Winston Churchill, der sich erlauben konnte, über einen politischen Gegner Folgendes zu sagen: Mr. Attlee ist ein bescheidener Mann, aber er hat auch allen Grund, bescheiden zu sein.«
Den Richter schien dieser Einwand zu verwirren, aber nach einer kleinen Weile bedeutete er Bulldozer mit einem Kopfnicken, weiterzumachen.
Der hatte damit gerechnet, dass sein Plädoyer in zehn Minuten oder höchstens einer Viertelstunde erledigt sein würde. Aber Braket unterbrach ihn, trotz der Verweise des Richters, nicht weniger als 42-mal. Häufig mit völlig unverständlichen Kommentaren.
Zum Beispiel:
»Ich sehe, dass der Staatsanwalt meine Zigarre lüstern betrachtet. Das erinnert mich an eine Geschichte: Es wird behauptet, dass die Mädchen auf Kuba wegen der drückenden Hitze nackt in den Tabakfabriken sitzen und die Zigarren auf ihren
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