Die Teufelshure
Straße erschossen wurde, habe ich mir gedacht, besser ist besser. Später hab ich sie einfach behalten. Für schlechte Zeiten sozusagen.«
»Und was willst du jetzt damit tun?«
»Ich habe mir gedacht, falls man uns noch mal einen Streich zu spielen versucht, werde ich einfach für Fakten sorgen.«
»Und du denkst wirklich, dass sich Typen, die geköpfte Leichen verschwinden lassen, etwas aus simplen Schusswaffen machen?« Sie lachte schrill auf. »Du bist tatsächlich noch verrückter als ich.«
»Tu so, als wäre alles normal. Vielleicht irre ich mich ja und bin einfach nur paranoid geworden, nach allem, was bisher geschehen ist.« Dough setzte eine ernste Miene auf. Seit knapp zwei Minuten waren plötzlich alle drei Fahrzeuge hinter ihnen, und wie aus dem Nichts hatte sich kurz vor Loch Tulla noch ein silberner Van mit dunklen Scheiben vor sie gesetzt. Dough sagte nichts zu Lilian, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen. Er lud die Pistole durch und hielt sie so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Lilian war nicht blöd. Allein das Geräusch ließ sie panisch werden, und der Rückspiegel reichte ihr nicht mehr, um sicher zu sein, was hier nicht stimmte. Gehetzt sah sie sich nach allen Seiten um. »Ich werde anhalten«, entschied sie. »Und umkehren.«
Ob es tatsächlich eine gute Idee sein würde, anzuhalten und umzukehren, wagte Dough zu bezweifeln, doch realistisch betrachtet hatten sie keinerlei Alternativen. An der Brücke von Orchy trat Lilian aus heiterem Himmel in die Bremsen und riss das Steuer herum. Ohne auf den Gegenverkehr zu achten, bog sie nach links in einen schmalen Seitenweg ein. Eine Sackgasse, die irgendwo in den Bergen in einem Wandergebiet endete, wie ein Hinweisschild ankündigte.
»Das war ein Fehler«, schnaubte Dough, als er sah, dass ihre überraschten Verfolger ihre Tarnung fallen ließen und ihnen ohne Scheu über die unebene Straße folgten. Lilian gab Gas und steuerte den hüpfenden Wagen in heller Panik über Stock und Stein.
»Hast du eine leise Ahnung, wer das ist?« Dough hoffte immer noch auf eine Antwort in diesem Wahnsinn. Doch Lilian schüttelte den Kopf, während sie mit ihrem Golf über die Bodenwellen holperte und dabei krampfhaft bemüht war, eine Kollision mit Schafen, die quer über den Weg liefen, zu verhindern.
Als Schüsse fielen, steuerte Lilian den Wagen an den Straßenrand in einen Graben, wo er sich binnen Sekunden festfuhr. Dough sprang geistesgegenwärtig heraus, ging in die Hocke und verschanzte sich hinter der Beifahrertür. Dann eröffnete er das Feuer. Lilian kroch auf der anderen Seite aus dem Wagen und robbte durch die Pfützen hinter das Heck. Unter dem Wagen hindurch sah sie nur Beine und begriff, dass sie von mehreren Männern umstellt waren, doch niemand schoss zurück oder rief: »Halt, stehenbleiben, Polizei!«
Aus einem Augenwinkel heraus sah Lilian, wie Dough einen Treffer landete, weil einer der Männer fluchend zu Boden ging und sich für einen Moment die rechte Seite hielt. Ein anderer schnellte nach vorne und schlug Dough die Wagentür gegen den Kopf. Anscheinend verlor Dough sofort das Bewusstsein, er ließ die Waffe fallen und fiel mit blutender Stirn auf den Rücken. Grobe Hände packten Lilian und zogen sie auf die Füße. Ein kurzer Rundumblick ließ sie erkennen, dass die Männer Masken trugen, wie bei einem Banküberfall.
»Führt sie ab!«, sagte ihr Anführer. »Und dann schickt sie schlafen.« Er sprach mit einem singenden, irischen Akzent, und das war das Letzte, was Lilian wahrnahm, bevor ihr jemand eine Injektion in den Arm jagte und sie das Bewusstsein verlor.
32
Schottland 2009 – »Nichts als die Wahrheit«
Als Lilian erwachte, fand sie sich in einem neuen, noch finsteren Albtraum wieder. Angekettet lag sie auf einem Bett und trug nichts anderes als ihre Unterwäsche. Die Wände des Zimmers, in dem man sie auf vielleicht zehn Quadratmeter eingepfercht hatte, waren weiß und vermittelten den Eindruck, als ob es in diesem Raum kein Oben und Unten gäbe. Den Boden konnte sie nicht sehen, weil es ihr nicht möglich war, den Kopf zu heben. Ihr Hals steckte in einer eisernen Manschette. Als ihr bewusst wurde, wie eng die Manschette war, begann sie zu würgen.
Ein kläglicher Hilferuf entwich ihrer Kehle, und als sie ein zweites Mal würgte, sah sie das Gesicht eines Fremden, der sich mit interessierter Miene über sie beugte und dabei eine Injektion aufzog. Er war jung und blass, trug eine Brille
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