Die Teufelssonate
willst.
30
E inige Leute sollten vorläufig lieber nicht wissen, daß er eine Revanche wollte. Linda hatte die Berichte über seine Konfrontation mit dem Franzosen in der Zeitung gelesen und tat wahrscheinlich kein Auge mehr zu, bis er dem Klavier ein für allemal abgeschworen hatte. Den kritischen Blick von Nicole konnte er jetzt auch nicht gebrauchen. Und Natasja hielt er schon ein paar Tage auf Distanz. Der Nachmittag mit Vivien war ein Ausbruch der Lust gewesen. Ihr Hunger war kaum zu stillen. Er hatte das Gefühl, Viviens Körper besser zu kennen, als den jeder anderen Frau. Er liebte die Wölbung dieses Bauchs, in dem er immer seine Nase begrub. Den Hals und die Schenkel, die er so vermißt hatte. Sie war weich und warm, genau wie beim ersten Mal, als er mit ihr geschlafen hatte.
Er konnte an fast nichts anderes mehr denken. Er wagte nicht, Natasja unter die Augen zu treten. Er wollte ihr nicht weh tun, das verdiente sie nicht. Doch er hatte sich nicht in der Hand. Vielleicht lag es daran, daß er seine Tabletten nicht mehr nahm, seine Emotionen waren heftiger und tiefer. Ehrlicher. Er liebte Natasja, aber er hatte nicht genug Widerstand gegen jene andere Liebe – seine ewige Liebe zu Senna.
Der einzige, an den er sich wenden konnte, war sein treuer Agent. Als er bei Brölls Büro anlangte, war eines der Fenster mit einer Kunststoffplatte bedeckt. Glasstücke ragten aus dem Falz, in dem die Scheibe gesteckt hatte. Die Tür war angelehnt, und er kam an zwei Handwerkern vorbei. Im Flur hing ein beißender Geruch, der aus Brölls Zimmer zu dringen schien. Notovich ging hinein, und sofort schlug ihm ein erstickender Qualm auf die Kehle. Bizarre schwarzgesengte Formen liefen über Wände und Decken, wo Feuerzungen ihre Arbeit verrichtet hatten. Überall lagen Scherben, Papiere und kaputte Möbel. Der Teppich triefte vom Löschwasser. Mitten in einer rußigen Lache saß Bröll auf einer umgefallenen Kommode und starrte an die Wand.
Bröll versuchte ihn mit einer unglaubwürdigen Geschichte über einen durchgebrannten Toaster abzuspeisen. Notovich zog ihn hoch und drückte ihn an die Wand. Wer hatte das getan? Er werde sich auf der Stelle einen anderen Agenten suchen, wenn Bröll ihm nicht die Wahrheit sagte. Die ganze Wahrheit.
Bröll war im Grunde erleichtert, daß er sein Elend mit jemandem teilen konnte. Kriminelle hatten eine Brandbombe hereingeworfen. Seit Notovich nicht mehr auftrat, hatte Bröll Schulden. Große Schulden bei den falschen Leuten. Er hatte angefangen zu zocken, um seinen alten Lebensstil aufrechterhalten zu können. Gerade jetzt, wo es ihm schlechter ging, kam er ohne sein Glückspaket nicht aus: Frauen, Alkohol und ab und zu eine Nase Koks. Aber er hatte keine glückliche Hand am Pokertisch. Anfangs hatten sie keine Schwierigkeiten gemacht; es waren nette Kerle, die ihn beruhigten und eine freundschaftliche Atmosphäre schufen. So war er ihnen langsam ins Netz gegangen. Doch jetzt war es an der Zeit, die Rechnungen zu begleichen. Er hatte sie lange mit Versprechungen ruhig halten können. Er würde demnächst mit Notovich eine Reihe von Rachmaninow-Einspielungen herausbringen. Als sein Klient das nicht wollte, war die Atmosphäre grimmiger geworden.
Dann hatte Notovich auf einmal beschlossen, wieder aufzutreten. Bröll war überglücklich gewesen. Er hatte sich sogar noch zusätzliches Geld geborgt, um die Kosten des Comebacks zu finanzieren. Er hatte ein paar Tausend Euro für Säle bezahlt. (Notovich wußte nichts davon.) Aber als der Auftritt danebenging, fingen sie an, ihn mit Drohungen zu belästigen. Diese Brandbombe sei erst der Anfang gewesen. Er habe zwei, höchstens drei Tage, bevor sie wirklich zuschlagen würden.
Notovich sagte, daß Bröll keine Angst mehr zu haben brauche. Er würde sich seinen Platz auf dem Podium zurückerobern. Diesmal kein halbherziges Comeback. Er habe sein Selbstvertrauen wieder. Außerdem werde er jetzt vom gesündesten Motiv getrieben, das ein Mensch nur haben kann: Rache.
Bröll reagierte skeptisch. Darauf würden seine Gläubiger nie hereinfallen. Er habe ihnen schon so viel versprochen. Womit er eigentlich meinte, Notovich habe schon so viel versprochen.
»Nützt es was, wenn ich mal mit denen rede?« fragte Notovich.
»Ich will dich da nicht mit reinziehen«, sagte Bröll, »das ist lebensgefährlich.«
»Hör zu, Bröll, wenn dieses Duell stattfindet, dann müssen wir es groß aufziehen. Ich will der ganzen Welt zeigen, daß ich zurück
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