Die Teufelssonate
würde. Aber Luboš war jemand, der die Dinge offenbar festhalten mußte, um sich wohl zu fühlen. Er betrachtete Notovich mit einer Art amüsiertem Staunen, als ob er ein exotischer Affe wäre. Einen echten Künstler hatte er offenbar noch nie in seinem Griff gehabt. Und Notovich kannte seinerseits nicht viele Leute, die zwei Bodyguards zu einer Lunchverabredung mitbrachten. Bewaffnete Bodyguards, nach den eckigen Ausbuchtungen unter ihren straff sitzenden Jacketts zu urteilen. Notovich fragte sich, woher Bröll ihn kannte.
Sie organisierten einen Saal, wo Notovich vorspielen konnte. Luboš hörte anscheinend ungerührt zu. Er schien auch das viel zu teure Essen in Brölls Lieblingsrestaurant nicht zu genießen. Wenn er etwas sagte, strich er über Brölls Rücken, und wenn er etwas bestellte, mußte er der Kellnerin ans Bein fassen. Seine Hände hinterließen einen durchdringenden After-shave-Geruch auf allem, was sie berührten.
Luboš wollte zwar über Geschäfte reden, aber nicht über Summen. Er wirkte nicht sehr begeistert. Notovich erklärte, daß er bereit sei, seinen Flügel als Pfand einzusetzen. Luboš willigte nicht ein. Er verstand nichts von Klavieren; er wußte nicht, wieviel so ein Ding wert war. Außerdem, was sollte er mit einem Flügel? Aber er wäre vielleicht für einen Deal zu haben, wenn Notovich ihm den Erlös all seiner CD s abtreten würde. Das war für Bröll indiskutabel. Da zuckte Luboš mit den Schultern und schaute ihn träge an.
»Ich mit dir zu tun, Bröll. Ich dir Geld geben, und nicht diesem …«
Er bezeichnete Notovich als etwas, was der Pianist nicht verstand, doch der Tenor war klar.
Bröll nickte fast unterwürfig. Notovich begriff, daß Bröll schon bei Luboš in der Kreide stand.
Der hatte seine eigenen Bedingungen für den Deal. Ein Vertrag sei nicht nötig, fand er. Er sei schließlich friedliebend , und Geschäfte mit so einem friedliebenden Menschen seien Vertrauenssache. Oder, wie er es zusammenfaßte, als sie das Restaurant verließen: »Du mich nicht bescheißen. Dann ich dich nicht bescheißen.«
Das schien Notovich ein vernünftiger Vorschlag.
Die Agenten der beiden Pianisten hielten eine gemeinsame Pressekonferenz ab. Es würde das »Klavierduell des Jahrhunderts« werden. Ein Ort wurde gefunden und ein Datum festgesetzt. Bröll warnte Notovich vor dem Medieninteresse, mit dem zu rechnen sei, aber selbst Bröll hatte da noch keine Vorstellung, welches Ausmaß dieses annehmen würde.
Und dann konnte das große Tauziehen beginnen. Amüsante Details sickerten an die Presse durch. Beide Pianisten verlangten ihren eigenen Flügel, das war zu erwarten gewesen. Aber Valdin wollte, daß sein Flügel so aufgestellt wurde, daß er beim Spielen keine Sicht auf Notovichs Instrument hatte. Des weiteren gab es langwierige Besprechungen über die Beleuchtung, den Luftfeuchtigkeitsgrad des Saals und die Höhe, den Bezug und die Farbe der Sessel auf dem Podium, in denen die Pianisten sitzen konnten, während der andere spielte. Notovich plagte Bröll ständig mit neuen Ideen. Das Duell nahm langsam die Form eines Spektakels an.
Die Publicity-Maschine wurde täglich mit Gerüchten, Erfindungen und Lügen gefüttert. Vor allem über geheime Forderungen, die die Pianisten angeblich stellten. In der Phantasie der Außenwelt waren die von Notovich am exorbitantesten. In der Garderobe müsse den größten Phantasten zufolge eine Kommode mit fünfzig verschiedenen Sorten Handschuhen bereitstehen, die die Hände des besessenen Pianisten warm halten sollten. Und Notovich würde seine Helfer natürlich wieder losschicken, um eine frische Mädchenblume anzuheuern, die am Abend des Konzerts von ihm gepflückt werden wollte. Die Handschuhe, die Notovich dabei tragen würde, mußten zur Augenfarbe des Mädchens passen.
Fanpost für beide Pianisten strömte herein. Im Internet wurden Diskussionsforen eröffnet: Wer ist der sexieste Pianist? In den Medien debattierten Kenner über die Frage, ob derartige Veranstaltungen gut seien für die Welt der klassischen Musik. Ob hier nicht ein Kniefall vor dem Kommerz getan werde. Ob dies nicht ein schlechtes Vorbild für junge Musiker sei, die sich von Wettbewerb zu Wettbewerb schleppten. Buchmacher erlebten goldene Zeiten. Es wurde massenhaft gewettet. In Tabakläden, in Kneipen und vor allem online.
Unangenehmer war, daß auch das Verschwinden der mysteriösen Freundin des Pianisten wieder aufgerührt wurde. Neue »Fakten« über die Art
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