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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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bestätigte ihr das. Panisch sprang nun auch Amelie von ihrem Stuhl auf, der polternd hinter ihr zu Boden ging.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie mit weit aufgerissenen Augen und tränenerstickter Stimme, drehte sich um und rannte weg.
    James war wie gelähmt. Er wollte ihr folgen, aber er konnte nicht. Er konnte es einfach nicht.
     

Kapitel 6
     
    15. März 2003 – Wittmund
     
    Egidius Johannson war Pastor mit jeder Faser seines 45-jährigen Körpers. Mit seinem Leib und auch mit seiner Seele, und er ging mit einer beispiellosen Passion in seiner Berufung auf, was seine Umwelt des Öfteren ins Staunen versetzt hatte. Der Geistliche war über alle Maßen beliebt auf Spiekeroog, war genau das, was man sich unter einem Seelsorger vorstellte, ein Menschenfischer auf ganzer Linie. In seinem Glauben war Egidus, oder Gide, wie ihn seine Frau und gute Freunde nannten, felsenfest verankert. Natürlich hatte es Momente in seinem Leben gegeben, wo er manches hinterfragt hatte. Zum Beispiel, als die liebenswürdige Maria Lehmeyer von der kleinen Bäckerei im Zentrum der Insel nach mehreren Fehlgeburten endlich einen Sohn bekommen hatte und diesen nur wenige Monate danach durch den plötzlichen Kindstod wieder verlor. Oder nach der Vergewaltigung der jungen Urlauberin in den Süderdünen, einige Jahre zuvor. Schwer zu schaffen gemacht hatte ihm auch das furchtbare Zugunglück von Eschede, ganz zu schweigen von den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001, als fanatische Verbrecher durch ihre unfassbaren Taten in New York und Washington die gesamte westliche Welt in ihren Grundfesten erschütterten. Es war ihm damals wie vielen gegangen und die Frage nach der Sinnhaftigkeit hatte sich ebenso bei ihm aufgetan. Aber auch er hatte keine Antwort darauf bekommen. Doch es hatte nur wenig Zeit gebraucht, da hatte er sich wieder auf das besonnen, was ihn starkmachte, was seine Basis war. Das Vertrauen in diese eine höhere Macht und die Gewissheit, dass alles, was auf diesem Planeten passierte, eine tiefere Bedeutung hatte. Nur manchmal eben nicht für das menschliche Auge sichtbar. Pastor Johannson hätte sich kein Szenario vorstellen können, in dem er die Existenz Gottes ernsthaft angezweifelt hätte, und so trafen ihn die Ereignisse des 15. März 2003 mit einer unvorstellbaren Wucht. An diesem Tag haderte er das erste Mal in seinem Leben tiefgehend mit dem Herrn, fühlte sich von ihm verlassen, ja, glaubte nicht mehr an ihn.
    Egidius Johannson stand am Bett seiner 14-jährigen Tochter auf der Intensivstation des Krankenhauses in Wittmund. Dorthin hatte man Amelie mit dem Hubschrauber geflogen. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Bettes, verharrte seine geliebte Frau. In ihrem Gesicht konnte er den Kampf erkennen, den sie mit sich ausfocht. Einerseits der Wille, stark zu sein, andersrum aber der Wunsch, sich gehen lassen zu dürfen und den ganzen Schmerz einfach herauszuschreien. Er fühlte ähnlich wie sie, nur dass er dieses innere Ringen schon beinahe verloren hatte. Spürte, wie ihn die Fassung mehr und mehr verließ, wie er drohte, im Chaos seiner Gedanken und Empfindungen zu ertrinken. Qualvoll und ohne jegliches Erbarmen. Ungehindert flossen ihm die Tränen über seine rauen Wangen. Als Magda zu ihm in die Kirche gekommen war, als sie ihm stockend und verzweifelt von dem Anruf erzählte, hatte er ihr nicht glauben wollen. Hatte sich immer wieder gezwickt, in der Hoffnung, endlich aus diesem unsäglichen Albtraum zu erwachen. Um am Ende erkennen zu müssen, dass es tatsächlich passierte. Dass es nackte Realität war. Völlig durcheinander waren die zwei zum Hafen gehastet, wo sie so gerade noch die Nachmittagsfähre nach Neuharlingersiel bekommen hatten. Von dort aus hatten sie ein Taxi in die Kreisstadt Wittmund genommen, und hier waren sie nun.
    Pastor Johannson starrte seine Tochter an und ihm war, als sähe er einen Geist. Sie lag dort wie ein Engel, was für ihn nicht zu begreifen war nach dieser teuflischen Tat, die sie begangen hatte. An sich selbst begangen hatte. Wie konnte es sein, dass auf ihrem Antlitz so viel Frieden lag? Müsste es nicht eher eine völlige Zerrissenheit zeigen, die Tiefen menschlichen Unglücks, einen Abgrund unbekannten Ausmaßes? Er begriff es einfach nicht.
    Man hatte sie reanimieren müssen. Kein Mensch wusste, wie lange sie auf der anderen Seite gewesen war, und ob sie irgendwelche Folgeschäden davontragen würde. Das spielte aber in diesem Augenblick auch noch keine Rolle. Sie

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