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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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für diese junge Frau? Bei Anabel damals hatte er zwar ähnliche Symptome gehabt, dennoch war es anders gewesen als jetzt mit Amelie. Vielleicht war am Ende alles nur ein riesengroßer Irrtum? Aber was, wenn nicht? Würde er sich auf sie einlassen können? Vorausgesetzt, dass sie ebenfalls etwas für ihn empfand. James stieß der Gedanke, dass das wohlmöglich nicht so sein könnte, bitter auf, und er wischte ihn schnell wieder beiseite. War er also bereit für eine neue Beziehung? Und dann auch noch für eine, die unter solchen Vorzeichen stand? Mit ihrer schwierigen Vergangenheit, die seiner in nichts nachstand? Mit dem doch recht großen Altersunterschied von zehn Jahren? Ach verdammt! Fragen über Fragen, auf die er nicht wirklich eine Antwort parat hatte. Es wäre wohl das Beste, wenn er das Ganze vergessen würde. Je schneller, desto besser!
    »Guten Morgen«, vernahm er ein leises Stimmchen. Ertappt sah er auf und blickte geradewegs in das zarte Antlitz von Amelie Johannson, die vollständig angezogen vor ihm stand. Sie trug wiederum eine langärmelige Bluse, diesmal in Türkis mit einem farblich darauf abgestimmten Halstuch. Statt einer Hose hatte sie sich heute, als Tribut an die ins Zimmer einfallenden Sonnenstrahlen, für einen knappen Jeansrock entschieden, der ihre wohlgeformten Beine hervorragend zu Geltung brachte. So gut, dass James sich zwingen musste, wieder hochzuschauen. Sie machte einen verlegenen Eindruck. Der Amerikaner konnte sich denken weswegen und grinste sie genüsslich an.
    »Guten Morgen, Amy«, meinte er mit ebenfalls gedämpfter Stimme, wollte er doch nicht riskieren, den Hühnerhaufen aufzuwecken.
    »Ich gehe schon mal frühstücken«, erwiderte Amelie ungewohnt schüchtern.
    James schmunzelte. »Ja, mach das! Du brauchst ja eh länger, bis Du satt bist. Ich dusche schnell und komme sofort nach, ja? Dann können wir besprechen, was wir heute unternehmen, okay?«
    Amelie nickte und verließ fluchtartig das Zimmer, während James ihr seufzend hinterher blickte.
     
    Eine knappe Stunde später saßen sie in der U-Bahn. Ihr erstes Ziel würde heute der Bendlerblock mit der Gedenkstätte des deutschen Widerstandes sein, danach planten sie, nochmals die »Topographie des Terrors« zu besuchen, da der gestrige Aufenthalt dort ja ein jähes Ende gefunden hatte. Nachmittags wollten sie dann mit dem Auto zum »Museum des Todesmarsches« im Wald von Below bei Wittstock fahren. Davon hatte James noch nie zuvor gehört gehabt. Interessiert hatte er Amelies Ausführungen dazu beim Frühstück angehört. Im April 1945 waren die Konzentrationslager von Sachsenhausen und Ravensbrück von den Nazis geräumt worden. Die etwa 48.000 Insassen dieser Gräuelstätten hatte man auf einen Marsch Richtung Nord-West getrieben. Gut ein Drittel der armen Menschen hauste Tage später, unter der Bewachung ihrer Peiniger, in Erdlöchern und Verschlägen im Belower Wald. Sie ernährten sich von Baumrinden und Wurzeln. Binnen kürzester Zeit starben 800 der ehemaligen Häftlinge.
    Amelie war schon vor Jahren das erste Mal im Belower Wald gewesen. Sie berichtete von Bäumen, auf denen noch heute geritzte Zeichen und Inschriften der Frauen und Männer zu finden waren, die das damalige Leiden dokumentierten. Auch würde man im dortigen Museum umfassend über den Todesmarsch informiert und könnte zurückgelassene Gegenstände der Häftlinge in einer Dauerausstellung besichtigen. Mehr hatte es nicht gebraucht, um James zu überzeugen. Er hatte in den vergangenen zwei Tagen gelernt, dass Amelie ein erstaunliches Wissen hatte, was die Zeit des Nationalsozialismus‘ in Deutschland betraf, und er vertraute ihrem Urteil blind. Ihre Fachkenntnis war eine unglaubliche Bereicherung für sein derzeitiges Projekt.
    »James?«, riss ihn seine Begleitung aus den Gedanken.
    »Ja, Miss, womit kann ich dienen?«, erwiderte der dunkelhaarige Mann und strahlte sie gutgelaunt an.
    »Hast Du eigentlich heute Nacht gehört, dass unsere Zimmergenossinnen nach Hause gekommen sind?«
    Prüfend sah James sie an und stellte eine verdächtige Röte auf dem Antlitz der jungen Dame fest.
    »Warum willst Du das denn wissen?«, fragte er und hätte sich liebend gerne vor lauter Vergnügen auf die Oberschenkel geklopft. Herrlich, wie sie da nervös auf dem abgewetzten Sitz des gut gefüllten U-Bahn-Waggons herumrutschte.
    »Ich meine ja nur. Ich habe sie nämlich nicht gehört. Wahrscheinlich, weil sie so leise waren. Oder?«
    »Amy, ich weiß genau,

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