Die Tiere in meiner Arche
besitzt, die Jungen ohne ihn großziehen könnte. Es liegt auf der Hand, daß der Vater in einem solchen Fall beim Weibchen gelassen und nicht von ihm getrennt werden darf, wenn die Jungen zur Welt kommen.
Wir bekamen einmal Besuch von einem Mann, der in einem sehr bekannten Zoo eine hohe Stellung bekleidete. Während er unsere jungen Krallenäffchen bewunderte, gestand er, daß er gerade mit dieser Tiergruppe wenig Erfolg hatte. Die Tiere hatten sich zwar gepaart, und es waren auch Junge geboren worden, aber sie waren alle gestorben. Von den Verhaltensweisen der Krallenäffchen wußte er offensichtlich wenig, denn er fügte ganz hoffnungsvoll hinzu, das nächstemal würde er sicher mehr Glück haben, da er die Absicht hätte, das männliche Tier von der Familie zu trennen.
Die Frage, ob das männliche Tier von der Familie getrennt werden soll oder nicht, löst in Zookreisen immer wieder Kontroversen aus, doch zu einer allgemein gültigen Antwort kommt man nicht. Die Antwort darauf hängt nicht nur von der Art ab, der die Tiere angehören, sondern auch von jedem einzelnen Tier. Doch ganz gleich, wie gut man sein männliches Tier zu kennen glaubt — ja, selbst wenn es biologisch gesehen empfehlenswert ist, es bei den Jungen zu lassen — , es kann dennoch passieren, daß die Jungen getötet werden. Je seltener die Tierart, desto größer ist natürlich das Risiko und desto schwieriger wird die Entscheidung.
Orang-Utans kommen wahrscheinlich am seltensten vor und deshalb ist ihre Existenz in freier Wildbahn am stärksten bedroht. Wenn die ständige Verringerung der wild lebenden Bestände der Borneo-Orang-Utans und der in Sumatra heimischen Unterart nicht rigoros eingedämmt wird, dann, so schätzt man, wird dieser faszinierende, rote Primat in der freien Wildbahn in spätestens zwanzig Jahren ausgestorben sein. Wenn diese Vorhersage stimmt — und beunruhigenderweise scheint sie wirklich zu stimmen — , dann kommt alles darauf an, daß Zoologische Gärten Zuchtkolonien dieser Tiere aufbauen, und zwar nicht nur, um zu verhindern, daß die Zahl der wild lebenden Tiere noch weiter verringert wird, sondern auch, um dafür zu sorgen, daß diese Tierart überlebt, wenn auch nur in Gefangenschaft.
Wir hatten das Glück, sowohl Borneo- als auch Sumatra-Orang-Utans erwerben und mit Erfolg züchten zu können. Als Bali, das Weibchen unserer Borneo-Orang-Utans, trächtig war, trennten wir sie von ihrem Gefährten Oscar, da wir alle darin übereinstimmten, daß Oscar, so prächtig und temperamentvoll er war, ein wahrer Teufel sei. Keiner wollte vorhersagen, wie er auf ein Baby reagieren würde. Er führte deshalb ein Junggesellenleben, während Bali ihr Kind austrug. Sie brachte schließlich ein prachtvolles, kerngesundes weibliches Baby zur Welt, das wir Surabaja tauften.
Bali war so lieb und sanft und dümmlich, daß wir geneigt waren, sie für etwas schwachsinnig zu halten. Es war ein Glück für uns, daß wir diese wenig schmeichelhafte Meinung von ihr hatten; obwohl sie nämlich ganz hingerissen von ihrem Baby war, hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was sie mit ihm anfangen sollte. Es ist heute allgemein bekannt, daß bei den Menschenaffen die Kinder ihre Sexualerziehung dadurch erhalten, daß sie den Erwachsenen Zusehen; ein junges männliches Tier lernt also das Decken, indem es einem Vater zusieht, und ein junges weibliches Tier lernt von seiner Mutter, wie man mit einem Baby umgeht. Wenn aber ein Menschenaffe in sehr frühem Alter gefangen wird, dann hat er keine Gelegenheit, diese Techniken zu erlernen, und das kann, wenn es zur Fortpflanzung kommt, große Schwierigkeiten auslösen.
Bali war zu uns gekommen, als sie zwei Jahre alt gewesen war. Sie hätte also eigentlich Gelegenheit haben müssen, Kinderstubengepflogenheiten zu beobachten. Vielleicht hatte sie das nur vergessen; sie war ja, wie ich schon sagte, sehr lieb und sanft, aber nicht gerade intelligent. Wie dem auch sei, sie war entzückt über ihre Tochter, säuberte sie sehr schön und nahm sie dann fest in ihre Arme. Und das war, was sie betraf, alles, was ein Baby brauchte. Der arme Säugling, bald auf ihrer Hüfte, bald auf ihrem Rücken, dann wieder auf ihrem Kopf hängend, suchte verzweifelt und vergeblich nach einer Brustwarze, an der er seinen Durst hätte stillen können, während Bali tatenlos dasaß und strahlte.
Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als zu ihr in den Käfig zu gehen und ihr zu zeigen, wie man ein Baby zum Stillen
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