Die Tochter der Dirne
diesem Gedanken erstarrte sie. Wenn das geschah, wenn sie immer und ewig einander so nahe sein würden, würde er zweifellos alles wissen, was sie getan hatte, ehe sie nur ein Wort darüber sagte.
Er liebkoste sie die ganze Nacht, doch jedes Mal, wenn sie im Begriff stand, die Grenze zu überschreiten, schloss sich das, was sie getan hatte, wie eine Mauer um ihr Herz.
Und so kam es, dass sie in dieser langen Liebesnacht kein einziges Mal die ersehnte Erlösung fand.
Er erwachte, als die Vormittagssonne ihm hell in die Augen schien, noch immer benommen von seinem Versagen.
Ihre Körper waren stets ihre einzige zuverlässige Verbindung gewesen. Jetzt hatte er selbst das verloren.
Alles hatte so angefangen, wie er es geplant hatte. Sie hatte geschrien, sie hatte geseufzt, sie hatte gestöhnt. Aber nicht ein Mal hatte sie jenen Punkt im Nichts erreicht, zu dem er sie führen wollte.
Jetzt klammerte sie sich an ihn, den Kopf an seine Brust gelegt, sodass ihr dunkles Haar bis über seine Lenden reichte, und ihr Atem war zu unruhig, als dass sie schlafen könnte.
„Ich habe dir keine Lust verschaffen können.“
Sie hob den Kopf und sah ihn an. „Doch, das hast du.“
„Nicht genug.“
„Der Fehler lag bei mir, nicht bei dir.“
Er schob sie weg und schwang die Beine aus dem Bett. „Ich dachte, wir würden einander nicht mehr belügen.“
Sie hob den Kopf. „Ich hätte so tun können, als ob – aber ich wollte nicht mehr … lügen.“
Er ging zu der Schüssel und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht, das so kalt war wie die Erkenntnis, die ihn jetzt überkam. Er wischte sich das Gesicht trocken und wünschte, er könnte damit die Erinnerung daran wegwischen, wie ihr Gesicht in der Ekstase im dämmerigen Licht der Mittsommernacht ausgesehen hatte. „Dann hat dein Körper also gelogen.“
Mit großen Augen kletterte sie aus dem Bett und umarmte ihn. „Nein. Nein, du musst mir glauben.“
Er drückte ihr Gesicht an seine Brust und hielt sie ganz fest, wollte ihr nicht in die Augen sehen, weil er nicht sicher war, ob er ihre Lügen von der Wahrheit unterscheiden konnte. Aber selbst jetzt, da er sich so betrogen fühlte, wollte er sie. Und nicht nur ihren Körper. Er wollte, was sie ihm nicht geben konnte, was immer das auch war.
Er ließ sie los und wandte sich ab, zog sich an, beeilte sich, den Raum und die Stätte seines Versagens zu verlassen.„Ich gehe dir ein Frühstück holen.“
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie liefen ihr über die Wange, sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
Dies also war der Preis für ihre Lügen. Dass das Eine zerstört wurde, was sie miteinander geteilt hatten.
Draußen würde er die Wahrheit herausfinden und ahnen, welche Rolle sie dabei gespielt hatte. Und wenn er wieder durch jene Tür kam, würde er die einsame Zukunft mit sich bringen, der sie nicht ins Gesicht sehen wollte.
29. KAPITEL
Als sie die Tür knarren hörte, schloss sie die Augen. So schnell war ihr Frieden vorüber. Jetzt musste sie ihn dazu überreden, Windsor rasch zu verlassen, oder alles, was sie getan hatte, wäre umsonst gewesen. Doch wie konnte sie ihn jetzt überreden, da die körperliche Verbindung zwischen ihnen zerstört war?
Als sie die Augen öffnete, wurde er größer mit jedem Schritt, mit dem er sich dem Bett näherte. Stark und mächtig wirkte er, hart wie aus Stein gemeißelt, und nichts erinnerte an ihren Liebhaber, abgesehen von den ungekämmten Haaren, die noch vom Schlaf zerzaust waren.
„Du wusstest es.“ Statt der lodernden Wut, die sie erwartet hatte, war seine Stimme so kalt wie Eis. „Du wusstest es und hast nichts gesagt.“
„Was meinst du?“ Sie musste herausfinden, was er entdeckt hatte, ehe sie alles erzählte.
„Hör auf, Solay. Hibernia und Agnes sind verschwunden. Es gibt sogar Gerüchte, sie hätten geheiratet, obwohl das unmöglich ist. Du hast sie gestern Abend gesehen. Sie muss es dir erzählt haben.“
„Ja.“ Sie zwang sich, ruhig und leise zu sprechen. „Es stimmt. Sie haben in der Privatkapelle des Königs geheiratet und sind vor Tagesanbruch abgereist.“
Er umklammerte den Bettpfosten und starrte sie an. „Und du hast sie und den König zweifellos noch mit dem Segen der Sterne beschenkt.“
„Ich sagte ihr, es gäbe die Hoffnung, dass sie glücklich werden könnte.“Vor so vielen, vielen Monaten.
„Der Mann ist bereits verheiratet!“ Er klammerte sich an den Pfosten, als würde sich die Welt um ihn herum zu
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