Die Tochter der Dirne
den Mann eingesperrt hatte.
Müßig betrachtete sie die Bilder mit den Planeten und fragte sich, wann Lord Justin wohl geboren sein mochte. Er besaß den Eigensinn des Stiers, aber seine unmissverständliche Art zu reden erinnerte sie an den Schützen. Vielleicht war einer davon der Aszendent und der andere …
Unsinn. Sie schob die Tafeln beiseite und widmete sich wieder ihrer eigentlichen Arbeit. Ihre Zukunft lag in den Händen des Königs, nicht in den Küssen von Justin Lamont.
Noch einmal las sie die Karte mit den Geburtsdaten des Königs. Einige Aspekte passten nicht zu Richards Temperament, wie sie ihn kannte. Sein Aszendent war der aggressive Widder, und doch schien er wenig kriegslüstern zu sein.
Das elfte Haus war das der Freunde, das zwölfte das der Feinde. Bestimmt könnte eine winzige Veränderung den Duke vom einen zum anderen schieben.
Eine andere Stunde für die Geburt würde genügen.
Mit neuem Schwung drehte sie die Seiten um. Sie würde die Karten so einrichten, wie sie es wünschte, und erklären, das Horoskop hätte sich geändert, weil sie einen anderen Zeitpunkt für die Geburt angesetzt hatte.
Lächelnd begann sie, zu zeichnen.
Am späten Nachmittag hatte sie eine Tafel gefertigt, die ihren Zwecken – und, wie sie vermutete, auch denen des Königs – weitaus nützlicher war. Die Mitte der Tafel bildete ein Quadrat mit dem Zeichen des Steinbocks, dem Sonnenzeichen des Königs. Vier Dreiecke umgaben es, die die vier Himmelsrichtungen darstellten. Und schließlich bildeten die zusätzlichen acht Häuser ein weiteres Quadrat um das erste herum.
Durch das Verschieben gelangten mehr Planeten in das Haus der Freunde, aber auch sein Charakter wurde dadurch besser beschrieben. So konnte sie dem König eine glückliche Zukunft voraussagen und damit hoffentlich auch ihrer Familie.
Sie zögerte. Wenn es schon gefährlich war, dass sie ihr eigenes Geburtsdatum verändert hatte, was würde sie riskieren, wenn sie dasselbe mit dem des Königs tat?
Und doch war dies die einzige Lösung, die ihr einfiel. Zumindest war sie vernünftig genug, ihm keine schlechten Neuigkeiten zu verkünden. Es war unwahrscheinlich, dass irgendwer genug davon verstand, um ihre Schlussfolgerungen in Zweifel zu ziehen, und sollte es doch jemand tun, so würde sie einfach lachen und sagen, sie wäre nur eine Frau und kein richtiger Astrologe.
Justin ließ seine Gedanken schweifen, während der Hof den Nachmittag damit vergeudete, schlechten Versen zu lauschen, geschrieben von Höflingen, die Dichter spielten. Er hörte die Worte nicht einmal. Die ganze letzte Woche hatte er damit verbracht, sich einzureden, wie froh er war, dass der Kuss Solay nichts bedeutet hatte, obwohl es ihn ärgerte, dass sie wie eine Geliebte in seine Arme sinken und dann darüber lachen konnte. Er hätte nichts anderes erwarten sollen. Selbst ihr Körper log.
Auf der anderen Seite des Raumes wurde sie wieder vom Earl of Redmon umschwärmt. Seitdem er ihr geraten hatte, sich einen Ehemann zu suchen, betrachtete Justin jeden Mann, mit dem sie sprach, daraufhin, ob er für diese Rolle geeignet sei. Viel Auswahl würde sie nicht haben. Der Mann musste vermögend sein und keiner Mitgift bedürfen. Er musste vom König anerkannt, durfte aber nicht zu bedeutend sein, sonst würde er eine bessere Braut bekommen.
Solay schenkte dem Earl ein betörendes Lächeln, als sie an der Reihe war, etwas vorzutragen. Dann fuhr sie sich schnell mit der Zunge über die volle Unterlippe, räusperte sich, warf einen Blick auf Justin und begann zu lesen.
„Sie sind Männer des Gesetzes, die gern mit ihren Taten prahlen.
Sie behaupten, Recht bedeute Gerechtigkeit,
Aber Gerechtigkeit bekommen nur jene, die am meisten dafür zahlen.“
Sein Gesicht glühte. Alle lachten, und obwohl niemand in seine Richtung blickte, wusste er, dass ihre Worte ihm galten. Ihr Gedicht erzählte von einem unehrlichen Richter, der von einem großzügigen und ehrlichen König der Gerechtigkeit zugeführt wurde. Die Verse waren nicht sehr geschliffen, aber sie sprachen von Talent. Die Worte waren klug gewählt.
Mehr als klug. Etwas daran erschien ihm sehr vertraut.
Nachdem der König begeistert geklatscht hatte und die nachmittägliche Unterhaltung zu Ende war, ging Justin zu ihr. Der kleine Triumph hatte ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert.
„Ein hübsches Gedicht, Lady Solay“, bemerkte er. „Habt Ihr das Thema John Gower vorgeschlagen?“
Ihr Lächeln wurde kühl. „Warum
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