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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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des Narren durchdrang die gespannte Stille. „Der Narrenkönig macht alles möglich.“ Er nahm Justins Hand und zog ihn um den Tisch herum, sodass er Solay gegenüberstand.
    Gefangen im Griff des Narren, sah Justin, wie ihre Augen sich verdunkelten, und er bedauerte seine Ehrlichkeit. Was würde geschehen, wenn er ihre Lippen berührte? Er zwang sich zur Vernunft. Nichts würde geschehen. Sie war eine Frau, nichts sonst.
    Der Narr lachte heiter. „Euer Wunsch ist mir Befehl. Küsst die Lady!“
    Sie war jetzt zu nahe, so nahe, dass ihr Duft ihn umfing. Sie roch nach Rosenblättern, die in einer goldenen Schatulle verschlossen waren, süß und doch geschützt von dem Metall, das nur ein Feuer zerstören konnte.
    Er wollte sie in die Arme nehmen, sie an sich pressen und sie küssen. Er wollte sie besitzen, doch eine warnende Stimme sagte ihm, dass sie stattdessen ihn besitzen würde.
    Ihre Lippen waren leicht geöffnet, doch er sah kein Verlangen in ihren Augen, nur Furcht.
    Er umfasste ihre Arme, hielt sich mit Bedacht von ihrem Körper fern, beugte sich vor und berührte sie mit seinem Mund.
    Ihre Lippen fühlten sich so weich an, wie er es erwartet hatte, doch gleichzeitig waren sie kühl und unbeweglich. Als sie nicht reagierte, brach sich etwas Bahn in ihm. Tagelang hatte sie ihn herausgefordert. Für all die anderen Männer hatte sie gescherzt und sich demütig gegeben.
    Er wollte haben, was sie zu bieten hatte.
    Heftig zog er sie an sich, fühlte ihre Brüste weich an seinem Körper. Plötzlich war es ihm egal, wer sie war und wo sie sich befanden. Er wollte ihren Kuss und was immer sie sonst noch verbergen mochte.
    Dies war der Kuss, mit dem sie ihn tagelang gelockt hatte, und der unglaubliche Rosenduft betörte seine Sinne mehr als der Wein. Als sie für ihn die Lippen öffnete, ließ er seine Zunge in ihren Mund gleiten, um sie zu kosten. Endlich fühlte er, wie sie sich ihm hingab, und er hielt sie fester, voller Angst, sie würde fallen, wenn er sie losließe.
    Und erst als der Narrenkönig ihm auf die Schulter klopfte, kam er wieder zu sich.
    „Dieser Mann hat wohl den ganzen Abend nur Austern gegessen“, sprach der Narr spöttisch.
    Trunkenes Lachen um ihn herum ließ ihn erröten.
    Er trat zurück, hin- und hergerissen zwischen Verlangen und Verachtung, und von ihrem Gesicht las er die Wahrheit ab, nach der er gesucht hatte.
    Sie begehrte ihn.
    Ihre Augen waren dunkel vor Verlangen, ihr Mund rot vor Lust. Dann berührte sie ihre Lippen und blinzelte, bis der weiche Ausdruck aus ihren Augen verschwand, und dafür war er dankbar – ihre Gabe der Verstellung schützte sie beide.
    Der Narr wandte sich an Solay. „Da Ihr die Umarmung dieses Dummkopfs erdulden musstet, verdient Ihr einen eigenen Wunsch. Welchen Gefallen kann ich der Lady tun?“
    Sie nahm den Kelch und hob ihn in Richtung der königlichen Tafel. „Ich wünsche, einen Toast auszusprechen auf unsere allergnädigsten Majestäten, König Richard und Königin Anne. Mögen sie lange leben, gesund bleiben und all ihre Feinde besiegen.“
    Sie hob den Kelch, um zu trinken, doch statt den König anzusehen, begegnete ihr Blick Justin.
    Während er trank, wünschte er, der Wein könnte ihren Kuss wegspülen.
    Nun, da er sie gekostet hatte, konnte er nicht länger leugnen, wie sehr ihr Körper ihn anzog. Ihr Blick war verführerisch, und die helle Haut ihrer Handgelenke weckte in ihm den Wunsch, die helle Haut ihrer Schenkel zu sehen.
    Umso besser, wenn sie sich einen Gemahl nahm, auch wenn von den Hampelmännern bei Hofe niemand passend zu sein schien. Solange sie sich von den Schatzkammern des Königs fernhielt, kümmerte sie ihn nicht.
    Gloucester kam zu ihm zurück. „Wie schmeckt sie?“
    Wie niemand sonst auf der Welt. „Es war nur ein Weihnachtsscherz.“
    „Ihr habt ihn offensichtlich genossen“, sagte Gloucester. „Und Ihr habt sie auf ihren Platz verwiesen.“
    Diese Worte steigerten seine Scham noch. Sie hatte sich hingegeben, ja, aber er hatte sie dazu gezwungen. Es spielte keine Rolle, dass sie zuvor versucht hatte, ihn zu verführen. Er hatte seine Lust über seinen gesunden Menschenverstand gestellt, sein Verlangen laut ausgesprochen und es ihr dann aufgezwungen.
    Und er hatte sich versprochen, niemals eine Frau zu zwingen. Nur zu gut wusste er, was daraus werden konnte.
    Dafür gebührte ihr eine Entschuldigung.
    Solay fand keinen Schlaf und sah aus dem Fenster, wo der letzte Stern im Morgengrauen verblasste. Hartnäckig

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