Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
erspart geblieben. Und eine Menge Unheil wäre vielleicht nicht geschehen.«
Katharina hörte einen Moment auf, mit der zweizinkigen Gabel zu kämpfen, deren Benutzung sie überhaupt erst in Bjarnisund gelernt hatte, und starrte ihn durchdringend an. Sollte das ein Vorwurf sein?
»Andererseits war es nicht deine Schuld«, fuhr Pardeville fort, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Nach allem, was du erlebt hast, musstest du jedem Fremden misstrauen, glaube ich, Ich will dir keinen Vorwurf machen. Es wäre nur einfacher gewesen.« Er zögerte einen Moment. »Auch für dich«, fügte er dann hinzu.
»Wieso?«, fragte Katharina misstrauisch.
Pardeville setzte zu einer Antwort an, schüttelte aber dann nur den Kopf und dachte eine Weile nach. »Vielleicht muss ich weiter ausholen«, begann er in verändertem Ton. »Du weißt inzwischen, wer du bist, nicht wahr? Damals wusstest du es nicht … aber ich wusste es.«
Katharina sah ihn überrascht an, und Pardeville nickte bekräftigend, gleich ein paarmal. »Wir sind zu spät gekommen, was ich ehrlich bedauere, aber wir waren nicht nur da, um die Menschen in deinem Dorf zu retten. Vor allem war ich auf der Suche nach dir.«
»Das …«, begann Katharina zögernd.
»Ist schwer zu glauben, ich weiß«, unterbrach sie Pardeville. »Aber es ist die Wahrheit. Was weißt du über Wulfgar und seine Familie?«
»Nicht viel«, gestand Katharina. »Nur dass er Eriks Bruder ist.«
»Und seit zehn Jahren auf der Suche nach dir«, sagte Pardeville. »Sie beide hatten Gründe, hierher in unser Land zu kommen: Erik um eine neue Heimat für sein Volk zu suchen – angeblich – und sein Bruder, um reiche Beute zu machen. Das ist es, was sie ihren Leuten sagen … und uns. Aber in Wahrheit sind sie beide hier, um nach ihren Kindern zu suchen. Wusstest du, dass Wulfgars Sohn dein Vater ist?«
Katharina nickte. Damit hörte ihr Wissen über ihre Eltern schon beinahe auf, aber sie fragte sich, woher er davon wusste. Zwar hatte sie Pardeville zusammen mit Wulfgar gesehen undmutmaßte auch, dass er den Wikingerfürsten sogar weit besser kannte, als dieser nach außen hin zugab, aber sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Wulfgar ihn so ins Vertrauen gezogen hatte.
»Ich sehe schon, Erik hat dir nicht die ganze Geschichte erzählt«, fuhr Pardeville fort. »Warum sollte er auch? Seine eigene Rolle dabei ist vielleicht nicht ganz so selbstlos und strahlend, wie er es gerne hätte, musst du wissen. Dein Vater kam damals beim Angriff auf euer Dorf ums Leben, aber deiner Mutter gelang zusammen mit dir die Flucht. Sie muss ein Jahr lang auf der Flucht gewesen sein, die arme Frau, ganz allein, verletzt und krank und mit einem Säugling, um den sie sich kümmern musste. Irgendwann am Ende ihrer verzweifelten Flucht kam sie hierher, an den Rhein, und sie muss wohl gespürt haben, dass ihre Zeit zu Ende ging. Also suchte sie einen Platz, an dem sie ihr Kind in Sicherheit wusste.«
»Bei Vater Cedric?« Katharina war selbst überrascht, wie bitter ihre Stimme klang, und Pardeville schüttelte den Kopf.
»Graf Ellsbusch«, antwortete er. »Ich will dich nicht belügen, Kind. Ellsbusch und ich waren niemals Freunde. Er war ein harter Mann, und unehrlich dazu. Viele haben es ihm damals übel genommen, dass er sich mit Wulfgar und seiner Räuberbande eingelassen hat, aber die meisten haben es widerwillig hingenommen, weil er sie auch im Griff zu haben schien und vom Schlimmsten abhielt.« Er deutete ein Schulterzucken an. »Vielleicht war das der Grund, aus dem deine Mutter sich an ihn um Hilfe gewandt hat … weil er sie an ihr Volk erinnerte, und alles, was sie verloren hat.«
»Sie soll mich zu einem Mann gebracht haben, der ausgerechnet mit Wulfgar im Bunde ist?«, fragte Katharina.
»Das ist schwer vorstellbar, nicht wahr?« Pardeville lächelte. »Ich konnte es selbst nicht glauben, als mir die Geschichte zu Ohren kam, doch wenn man genauer darüber nachdenkt, dannergibt es durchaus einen Sinn. Deine Mutter war offensichtlich nicht nur eine sehr tapfere Frau, sondern auch sehr klug. Wo wäre wohl der einzige Ort, an dem Wulfgar nicht nach dir suchen würde? Direkt unter seinen Augen. Du kennst das Sprichwort, dass man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht?«
Katharina hatte diesen Ausdruck noch nie zuvor gehört, aber Pardeville lachte, als hätte er einen besonders guten Scherz zum Besten gegeben. »Sie vertraute sich Ellsbusch an und nahm ihm das Versprechen ab,
Weitere Kostenlose Bücher