Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
an, wie um sich von ihm bestätigen zu lassen, dass ihre Wore auch der Wahrheit entsprachen.
»Mein Bruder ist also hier«, sagte sie schließlich. »Und die anderen auch. Das ist gut. Sie werden sich um mich kümmern. Und um dich natürlich auch«, fügte sie hastig hinzu.
Katharina wollte antworten, doch Edith kann ihr zuvor. »Was kann er schon ausrichten, du dummes Weib?«, schnaubte sie. »Pardeville hat ihn fortgejagt, und dabei kann er noch von Glück reden, dass er ihn nicht in den Kerker geworfen oder gleich erschlagen hat. Pardeville hasst das Fahrende Volk!«
»Allmählich scheint es mir, dass Guy de Pardeville jeden hasst, der nicht Guy de Pardeville heißt«, seufzte Vera. Dwegr schnatterte zustimmend, aber Edith sah eher noch besorgter drein.
»Das ist weiß Gott nicht der richtige Moment für deine Scherze, Weib«, sagte sie griesgrämig. »Unser Herr ist ein sehr grausamer Mann. Ein Leben gilt ihm nicht viel.«
»Meine Familie wird auf mich aufpassen«, beharrte Vera.
Edith schnaubte nur abfällig. »Ach? Und was wird sie tun, deiner Meinung nach? Diese Burg stürmen, um dich und dein Teufelstier zu befreien?«
»Es ist ein weiter Weg bis Santen«, antwortete Vera geheimnisvoll. »Da kann eine Menge passieren.«
Edith machte ein Gesicht, dessen genaue Bedeutung Katharina gar nicht wissen wollte. Selbst Dwegr gab einen Laut von sich, der eher zweifelnd klang. »Du solltest dein Glück nicht unnötig auf die Probe stellen, Weib«, sagte die Dienerin. »Danke deinem Gott lieber dafür, dass du noch lebst. Und reize den Herrn lieber nicht unnötig, wenn du möchtest, dass das noch eine Weile so bleibt.« Sie war fertig damit, Veras Knöchel zu verbinden, betrachtete ihr Werk noch einmal mit einem kritischen Blick und stand auf.
»Und dasselbe gilt auch für dich«, fügte sie an Katharina gewandt hinzu, während sie sich bereits herumdrehte und zur Tür schlurfte. »Trau ihm nicht. Vor allem nicht, wenn du deinen Bruder jemals wiedersehen willst.«
»Woher … weiß sie von Ansgar?«, fragte Katharina überrascht.
»Weil ich ihr davon erzählt habe«, antwortete Vera.
»Und du traust ihr?«
»Warum nicht?« Vera lachte leise. »Sie scheint ihren Dienstherrn nicht besonders zu mögen … Aber welcher Bedienstete tut das schon?«
»Aber du traust ihr?«, beharrte Katharina.
»Ohne sie wäre ich jetzt vielleicht tot«, erwiderte Vera ernst. »Wenn sie mir nicht Wasser und zu essen gebracht hätte, wäre ich vielleicht in Pardevilles Kerker gestorben. Ich glaube, wir können ihr trauen.«
»Hm«, machte Katharina.
»Ja, sie hat mir davon erzählt, dass sie dich den ganzen Vormittag über auf Trab gehalten hat«, erklärte Vera amüsiert. »Nimm es ihr nicht übel, ich hätte dasselbe getan.«
»Mich arbeiten lassen, bis mir die Fingernägel bluten?«, fragte Katharina empört.
»An deinem ersten Tag?« Vera nickte. »Sicher. Gerade am ersten Tag. Man muss doch sehen, was du aushältst.«
»Hm«, machte Katharina noch einmal, während sie die geschlossene Tür hinter der Dienerin ansah. »Hast du gehört, was sie gesagt hat?«
»Dass wir Pardeville nicht trauen sollen?«
»Dass wir unseren Göttern danken sollen, dass wir noch leben«, antwortete Katharina. »Das war gewiss kein Zufall. Glaubst du, dass sie weiß, wer ich bin?«
»Das wäre möglich«, antwortete die Gauklerin in nachdenklicherem Ton und mit dazu passender Miene. »Zumal ich es ihr erzählt habe.«
»Warum?«, fragte Katharina erschrocken.
»Das meiste wusste sie sowieso schon«, antwortete Vera, »und den Rest hat sie sich zusammengereimt. Sie ist nicht dumm, und sie ist nicht nur Pardevilles Köchin, sondern auch seine Leibdienerin. Sie erfährt alles, was auf der Burg geschieht. Wahrscheinlich weiß sie mehr als ihr Herr.«
»Hm«, machte Katharina zum dritten Mal. Das war es nicht, was sie gemeint hatte. Da war noch mehr; ein Gefühl, das von ihr Besitz ergriffen hatte, schon als sie Edith das erste Mal gesehen hatte. Sie konnte (oder wollte?) es nicht in Worte fassen, aber es wollte einfach nicht vergehen.
»Pardeville hat erzählt, dass sie seit zehn Jahren hier ist«, sagte sie nachdenklich.
»Genauso lange wie du, ich weiß«, sagte Vera. Das Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch. »Ich weiß, was du jetzt denkst, aber du solltest dich vor solchen Überlegungen hüten. Nichts ist so schlimm wie eine falsche Hoffnung, weißt du? Sie ist nichtdeine Mutter. Sie sieht dir nicht im Geringsten ähnlich … und
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