Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
verstand Katharina sofort, doch als sie es tat, erschrak sie umso mehr. Edith hatte anscheinend Recht, wenn sie ihr vorwarf, bei allem Überschwang oft das Denken zuvergessen. Was, wenn die zusätzlichen Männer dort blaue Wappenröcke trugen, und ein sich aufbäumendes Pferd auf der Brust?
Sie entschuldigte sich in Gedanken für alles, was sie gerade über Edith gedacht hatte, ließ sich neben ihr in die Hocke sinken und blickte genau wie sie den näher kommenden Schiffen schweigend und mit heftig klopfendem Herzen entgegen. Nach einer Weile erkannte sie, dass es sich tatsächlich um die Sturmvogel handelte, und – sie war nicht ganz sicher, aber doch beinahe – sie meinte eine grauhaarige Gestalt auszumachen, die hoch aufgerichtet im Bugkastell des Schiffes stand. Etliche der anderen Männer trugen tatsächlich ein leuchtendes Blau, das dem Pardevilles glich, aber das musste nichts bedeuten.
Es musste allerdings auch nichts Gutes bedeuten.
Katharina wälzte diesen Gedanken noch eine geraume Weile hin und her, ohne zu irgendeinem Ergebnis zu kommen (wenigstens keinem, das ihr gefallen hätte), und auch Edith sagte nichts mehr. Die drei Schiffe näherten sich nur langsam, viel langsamer, als es selbst angesichts der gefährlichen Sandbank nötig gewesen wäre, und Katharina sah, dass sie tatsächlich so nahe an ihrem Versteck vorüberfahren würden, wie Edith es ihr versprochen hatte.
Nur würde ihnen das nichts nützen, denn sie fuhren offensichtlich so langsam, damit die schier endlose Reiterkolonne mit ihnen Schritt halten konnte, die sich auf dem schmalen Uferstreifen parallel zu ihnen bewegte.
»Das sind Mandreds Söldner«, sagte sie erschrocken.
»Ja, und Guy de Pardeville selbst führt sie an«, fügte Edith düster hinzu. Schweigend verharrten sie in ihrem Versteck, während die kleine Flotte quälend langsam näher kam und dann noch viel langsamer an ihrem Versteck vorüberglitt; und das so nahe und langsam, dass es schon vollkommen ausgereichthätte, einfach nur einen Schritt aus ihrem Versteck herauszutreten, und sie wären sofort entdeckt worden.
Der Mann im Bugkastell der Sturmvogel war tatsächlich Guthenfels, und er kam ihnen nahe genug. um den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen zu können. Er war so nahe!
Katharina spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, als sie den Mann, auf den sie ihre gesamte Hoffnung gesetzt hatte, so dicht an sich vorübergleiten sah, dass sie buchstäblich nur den Arm ausstrecken musste, um ihn zu berühren … und zugleich so unerreichbar, als wäre er auf der anderen Seite der Welt. Wut und Enttäuschung fochten einen immer heftigeren Kampf hinter ihrer Stirn, und sie merkte nicht einmal, dass sie die Hände immer fester zu Fäusten ballte, bis ihre Knöchel wie trockener Reisig zu knacken begannen. Warum war das Schicksal so grausam zu ihr? Wieso hatte Gott sie gezwungen, all diese Gefahren und Mühen und Schmerzen auf sich zu nehmen, nur um ihr dann im allerletzten Moment doch wieder eine lange Nase zu drehen?
»Tu jetzt nichts Unüberlegtes, Kind«, flüsterte Edith.
Katharina verbot es sich selbst, auch nur mit einem Nicken zu antworten. Nicht nur die Schiffe – jetzt, als sie buchstäblich zum Greifen nahe unter ihnen vorüberfuhren, sah sie, dass die Sturmvogel tatsächlich das kleinste der drei Schiffe war –, sondern auch die Söldner zogen dicht genug an ihnen vorbei, dass es Katharina im Nachhinein schon beinahe wie ein kleines Wunder verkam, dass sie nicht entdeckt worden waren. Ihr Herz klopfte bis in den Hals hinauf, und einen Moment lang überlegte sie in ihrer Panik sogar ernsthaft, alles auf eine Karte zu setzen und einfach aus dem Wald herauszustürmen und zu schreien und mit den Armen zu wedeln, bis Guthenfels oder einer seiner Männer auf sie aufmerksam wurde. Gewiss würde Pardeville es nicht wagen, ihr direkt unter seinen Augen etwas anzutun.
Gottlob gewann ihr Verstand (und ihre Angst) gerade noch rechtzeitig die Oberhand, bevor sie diese selbstmörderische Idee in die Tat umsetzen konnte.
»Und wenn wir –?«, begann sie, doch Edith brachte sie mit einer erschrockenen Geste zum Schweigen.
Nur einen Moment später erkannte sie den Grund für Ediths scheinbar so übertriebene Vorsicht.
»Irgendetwas muss passiert sein … aber was?«
»Wie kommst du darauf?«
Ediths Stimme klang beinahe noch besorgter, und ihr Blick ließ das langsam herankriechende Heer keinen Moment los. »Wulfgar hat nicht mehr als
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