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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Last für dich.« Ich sah in diesem Augenblick, dass er das kleine Bündel von Mierenhemden in den Händen hielt, trotz der Stacheln, und er hielt sie dicht, so dicht ans brennende Feuer. »Ich sage, zerstöre diese magischen Gewänder, lass die Aufgabe, die dich verschlingt, hinter dir, suche Zuflucht bei den heiligen Brüdern, die dich vor der Zauberin schützen können. Es ist gleich, ob wir keine Menschen mehr werden. Es macht nur wenig aus.«
    Diese Ansprache musste ihn viel gekostet haben, denn ich wusste, wie das Bedürfnis nach Rache in seinem Herzen brannte. Ich wusste, wie sehr Liam sich danach sehnte, nach Hause zurückzukehren und alles mit Vater und seinem Land in Ordnung zu bringen, bevor es zu spät war, noch etwas retten zu können. Und Conor – was war mit seinem Weg, seinen Jahren der Vorbereitung, was mit den Dorfleuten, die voller Ehrfurcht von ihm sprachen, als wäre er schon ein Weiser? Wer würde seinen Platz einnehmen, wenn er nie in die Welt der Sterblichen zurückkehrte?
    »Wir hätten ein Boot oder Floß bauen sollen«, sagte Padraic plötzlich. »Hier gibt es wenig Siedlungen; du könntest lange Zeit den See entlangfahren, dicht am Ufer, immer unter den Bäumen verborgen. Ich hätte daran denken sollen.« Die anderen sahen ihn an. »Nun, es war eine Idee«, sagte er.
    »Hast du überhaupt zugehört?« fauchte Liam stirnrunzelnd.
    Padraic rührte wieder in dem Topf über dem Feuer, wo er genug Kräutertee kochte, dass es mir ein oder zwei Tage genügen würde.
    »O ja«, sagte er leise. »Sorcha wird die Wahl für uns alle treffen. Was sollte ich dazu noch sagen?«
    Ich spürte, wie Finbars Griff an meinem Geist sich entspannte und langsam zurückzog. Auch Conors Präsenz zog sich so beinahe unbemerkt zurück, wie sie gekommen war. Sie wollten, dass ich diese Entscheidung alleine traf. Aber es gab keine Wahl, nicht für mich. Ich streckte die Hand nach dem Bündel Hemden aus, und Diarmid reichte sie mir.
    »Bist du sicher, Sorcha?« fragte Liam leise. Ich nickte. Anders als Finbar wusste ich immer noch, welchen Weg ich nehmen musste. Es kam mir so vor, als ob sich das nie ändern würde, ganz gleich, was sonst mit mir geschah.
    »Also gut«, sagte Liam. »Wir achten deine Entscheidung. Wir werden überleben und kehren zum Mittwintertag zurück.«
    »Wir werden nicht hierher zurückkehren«, sagte Finbar leise, und als wir uns alle zu ihm umdrehten, schwankte er und fiel wie leblos zu Boden. Conor erreichte ihn als Erster, kniete sich neben ihn und schirmte sein Gesicht vor den anderen ab.
    »Hebt ihn auf«, sagte Diarmid. »Es ist beinahe Morgengrauen.«
    »Was ist überhaupt mit ihm los?« Cormack hatte kaum mehr Mitgefühl. »Er hat die ganze Nacht kaum ein Wort gesagt.«
    »Er hat sein erstes Blut geschmeckt«, sagte Diarmid. »So etwas passiert manchmal. Er wird nicht fertig damit. Aber als es ums Töten ging, war er begierig genug. Ich habe nie einen Mann gesehen, der so tief zustach und das Messer mit solcher Begeisterung drehte. Seht euch seine Hände an.«
    Padraic zog mich taktvoll beiseite, um von Kräutertränken zu sprechen und von Verbänden und dass er eine Stelle genäht hatte, an der ich die Naht selbst entfernen musste, was schwierig, aber nicht unmöglich sein würde. Ich hörte nur halb zu. Er brauchte mir meine eigene Kunst nicht zu erklären. Liam schlug Finbar auf die kreidebleiche Wange; Conor sprach leise auf ihn ein.
    »Beeilt euch«, sagte Diarmid. »Bei der Herrin, ausgerechnet jetzt einen Anfall zu kriegen! Die Sonne berührt schon die Baumwipfel auf der anderen Seeseite. Schlag ihn fester, bring ihn wieder zu Bewusstsein. Er wird eine richtige Last für uns.«
    »Halt den Mund!« sagte Liam, und er klang wie mein Vater. Es war eine Stimme, die auch erwachsene Männer schweigen ließ.
    »Du beurteilst Finbar falsch«, sagte Conor, während er und Liam ihren Bruder auf die Beine zogen und langsam mit ihm zum See stapften, denn es war tatsächlich beinahe Zeit. Nur halb bei Bewusstsein, taumelte Finbar zwischen ihnen und bewegte seine Füße, als wären sie aus Blei. »Er hat in dieser Nacht mehr von sich gegeben, als du dir je vorstellen könntest. Beurteile nicht zu rasch, was du nicht verstehst.«
    »Ich verstehe das gut genug«, murrte Diarmid, aber er mischte sich nicht mehr ein. Und so erreichten sie das Ufer und verabschiedeten sich abermals von mir. Und diesmal, als ich schwankend in meinem großen Umhang dastand, wollte ich nicht, dass einer von ihnen

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