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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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verzweifelter Morgen. Ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten, aber ich wusste, dass ich ihn nur verlangsamte. Der Weg war nicht einfach, besonders nachdem das Land sich höher zog, der schmale Pfad über Felsen und Geröll hoch über den gewundenen Fluss führte. See und Wald blieben hinter uns zurück, als wir uns nach Nordosten wandten. Die Sonne kletterte stetig weiter. Ich war oft mit meinen Brüdern im Wald unterwegs gewesen, war über Nacht draußen gewesen, und wir hatten einen Tag oder zwei dort gelebt. Ich konnte mich schnell bewegen und wusste, wie man im Wald einen Pfad findet. Aber das hier war anderes Gelände. Außerdem war ich schwächer, als ich gedacht hatte, und musste öfter eine Rast einlegen, um Luft zu holen, bevor ich weiterkonnte. Ich hatte keine Schuhe. Meine Füße waren schwielig, aber die Felsen schnitten durch die Hornhaut hindurch, und es blutete. Der Rote machte mir wenige Zugeständnisse, nur hin und wieder packte er mich an Handgelenk und Arm und riss mich mit sich, oder wartete schweigend, bis ich ihn wieder einholte. Seine Miene war ernst. Ich nahm an, er bedauerte seine Entscheidung, und das war kein Wunder. Er hatte Wasser in einem Schlauch und teilte das mit mir. Es versprach, ein warmer Tag zu werden. Wir überquerten den Fluss, oder genauer gesagt, er überquerte ihn, indem er durch das taillenhohe Wasser einer Furt watete und mich dabei über die Schulter geworfen hatte. Als wir auf dem anderen Ufer anlangten, ließ er mich auf einen flachen Stein fallen.
    »So weit, so gut«, sagte er und hockte sich neben mich, so dass seine hellblauen Augen auf gleicher Höhe mit meinen waren. Er sah mich forschend an. Sein Blick war durchdringend.
    »Sie sind immer noch weit genug hinter uns«, sagte er. »Aber nicht sonderlich weit. Ich nehme an, sie haben sich aufgeteilt. Schaffst du es noch weiter?« Ich versuchte nicht zu zeigen, dass ich ihn verstanden hatte. Es war nicht einfach. Meine Füße schmerzten, und in meinem Kopf drehte sich wieder alles. Aber es gab keine Wahl, als mit ihm zu kommen.
    »Männer«, sagte er und versuchte die Sprache, von der er annahm, dass ich sie verstand. »Böse Männer. Du – gehen – ich?« Er benutzte Gesten, um mir diese Botschaft zu übermitteln, und das Bedürfnis zu kichern überfiel mich trotz der Ernsthaftigkeit der Situation. Ich kniff den Mund fest zusammen, entschlossen, weder Schwäche noch andere Gefühle zu zeigen. Ich dachte vage darüber nach, welchen Weg ich hätte einschlagen wollen, als die Herrin des Waldes mich in einem kleinen Boot vom Wald weggeschickt hatte. Was hatte ich falsch gemacht? Denn dies war zweifellos der falsche Weg – nach Osten, immer weiter nach Osten, mit schmerzendem Kopf und blutenden Füßen und einem grimmigen Fremden als Gesellschaft. Wie würden meine Brüder mich so weit von daheim finden können?
    Wieder sah ich den Roten an. Er betrachtete meine Füße, dann meine Hände und machte ein seltsames Gesicht. Spöttisch, dachte ich, aber sein Spott richtete sich nicht gegen mich, sondern nach innen.
    »Störrisch, wie?« sagte er, nahm den Rucksack vom Rücken und wühlte darin herum. Er holte ein altes Leinenhemd heraus, das er in Streifen riss, indem er eine Ecke zwischen seine starken, weißen Zähne packte. »Aber diese Füße da halten heute nichts mehr aus. Hier.« Geschickt verband er meine beiden Füße mit Leinenstreifen. Er war gut; ich hätte es kaum besser tun können. Ich wusste, dass diese weichen Verbände keinen ganzen Tag halten würden, aber ich nahm an, dass er es gut meinte. Immerhin, wenn ich nicht weit genug kam, würde er es auch nicht können. Es sei denn, er ließ mich zurück.
    »Gut«, sagte er. »Und jetzt musst du etwas essen, und dann gehen wir weiter. Hier wachsen Äpfel, hast du gesehen? In dieser Gegend werden sie anscheinend früh reif. Vielleicht sind sie ja mehr nach deinem Geschmack als unsere Ration.« Und tatsächlich gab es Äpfel; kleine grüne mit einer schwachen Spur von Rosa. Rund und vollkommen. Er pflückte einen und viertelte ihn ordentlich mit einem kleinen, tödlichen Messer.
    »Hier«, sagte er und bot mir ein Viertel an. Ich griff danach und wunderte mich. Sie waren tatsächlich lange vor ihrer Zeit reif, und auf seltsame Weise. Es gab an dieser geschützten Stelle mehrere Bäume, aber nur einen, dessen Früchte reif zum Essen waren. An den anderen waren sie hart und grün. Es gibt viele Geschichten in unserem Land, in denen Äpfel vorkommen; sie sind

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