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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zweite Mann war geschickter als der Erste, und seine Taktik war klar – den Roten aus der Deckung zu locken, weg von der Eberesche in seinem Rücken in eine verwundbarere Position. Aber der Rote hatte den Vorteil, größer und schwerer zu sein als sie alle, und er war selbst nicht schlecht mit dem Schwert. Außerdem war er für einen solch großen Mann geschickt und wendig, und das Klirren der Klingen und das heftige Atmen ging einige Zeit weiter. Die Männer, die zuschauten, kommentierten, was sie sahen; sie verspotteten ihren Freund, als er einen Fehler machte und die Klinge des Roten eine scharlachfarbene Linie über seine Wange zog; den Briten selber sprachen sie nur mit Beleidigungen an. Sie bezichtigten ihn der übelsten Dinge. Es war ein grausamer Sport.
    Der Rote kämpfte ohne ein Wort und unerbittlich. Sein Schweigen machte den Gegner unruhig, so dass er nur für einen Augenblick seinen Blick von dem Briten nahm. Dieser Augenblick genügte; der Rote ließ die flache Seite seiner Klinge auf seinen Unterarm niederschnellen, und er ließ sein Schwert fallen, der Arm plötzlich nutzlos geworden. Wahrscheinlich gebrochen.
    »Mistkerl«, zischte er durch zusammengebissene Zähne. »Du kämpfst schmutzig wie alle von deinem Volk.« Dann kamen die anderen näher, plötzlich waren es vier oder fünf gegen einen. Der Rote hatte mich weiter hinter sich gehalten, aber nun war er gezwungen, sich in verschiedene Richtungen zu wenden, als ein Mann nach dem anderen ihn angriff. In weiterer Entfernung wartete der Bogenschütze schweigend. Ich hatte das kleine Messer in der Hand und fragte mich, ob ich den Willen haben würde, es zu benutzen, wenn ich die Gelegenheit bekam. Männer stürzten zu Boden, man hörte Ächzen und Flüche, und ich konnte sehen, dass zumindest einer tot war; sein Kopf war in einem sehr unwahrscheinlichen Winkel verrenkt. Der Rote hatte sich von dem Baum entfernt, und ich gab ihm nur noch wenige Augenblicke.
    »Lauf!« rief er, ohne mich anzusehen. »Lauf, verdammt!« Dann schlug einer der Männer zu; er parierte, und gleichzeitig stach ein anderer nach seinen Beinen, und ein Dritter näherte sich von hinten. Er atmete zischend aus und ließ die Waffe fallen. Ich spürte einen Griff an meiner Schulter und in meinem Haar, jemand drehte mich herum, und ich stand einem von Seamus' Männern gegenüber.
    »Ich kenne dich«, sagte er bedächtig. »Ich kenne dich irgendwoher, da bin ich ganz sicher. Was macht ein braves kleines Mädchen wie du hier draußen in der Wildnis mit einem Briten? Ha? Oder vielleicht bist du doch kein so braves kleines Mädchen. Du verkaufst ihm Geheimnisse und deinen Körper? Wir werden sehen, was mein Herr dazu zu sagen hat.« Er riss mich am Haar.
    »Warte«, sagte einer der anderen. »Ist das nicht – nein, das ist nicht möglich. Sie ist tot. Seit zwei Jahren oder so. Sie kann es nicht sein.«
    »Du meinst …«
    »Sie ist es doch! Sieh dir die grünen Augen an, wie die einer Katze. Sie ist es.«
    »Fessel ihr die Hände. Wir bringen sie zurück.«
    »Als Gefangene? Dafür könnten wir großen Ärger kriegen. Denk daran, wessen Tochter sie ist. Und du weißt, wie Liam ist. Du weißt, was ihre Brüder tun werden, wenn sie es herausfinden.«
    »Es ist verdammt unwahrscheinlich, dass die jemals wieder auftauchen. Und wieso ist sie bei ihm? Binde ihr die Hände.«
    Als der Mann nach meinen Handgelenken griff, das Seil in der Hand, stach ich mit dem kleinen Messer zu, und er fluchte und ließ mich los. Blut schoss aus seiner Hand. Ich ließ das Messer fallen. Der Rote wurde von allen Seiten angegriffen, er schien Schwierigkeiten zu haben, aufrecht stehen zu bleiben, als hätte er eine Wunde am Bein. Einer der größeren Männer hielt ihm ein Messer dicht an den Hals; der Rote griff nach dem Handgelenk des Mannes und schob das Messer mit angespannten Muskeln weg. Über die blitzende Klinge hinweg begegnete sein Blick dem meinen, und endlich zeigte dieser Blick etwas außer eisiger Ruhe. Er würde sterben, und man würde mich nach Hause bringen. Nach Hause zu Lady Oonagh, meine Brüder einem sicheren Tod überlassend.
    Ich rief um Hilfe. Wenn ich das Feenvolk jemals gebraucht hatte, dann jetzt. Nicht, dass sie bis jetzt eine große Hilfe gewesen wären. Ich rief nach ihnen, nach jedem, der es hören konnte, mit einem lautlosen Aufschrei aus tiefstem Herzen. Helft ihm. Er sollte nicht sterben, nicht so. Helft mir. Denn wenn ich vergehe, sind auch meine Brüder tot.
    Es begann zu

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