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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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eigenes Zimmer davonzuschlüpfen, oder in die Küche – ein wenig heißes Wasser, ein Feuer und trockene Kleidung waren alles, was ich in diesem Augenblick wirklich wollte, und ein wenig Zeit für mich. Aber die Tore wurden aufgerissen, und einen Augenblick später war ich in der großen Halle, mit tropfendem Umhang und am Ende einer Spur schlammiger Fußabdrücke, und obwohl mein Vater dort war, war alles, was ich sehen konnte, seine Braut, Lady Oonagh.
    Sie war hübsch. Cormack hatte Recht gehabt. Ihr Haar war ein Vorhang aus dunklem Feuer, und ihre Haut weiß wie frische Milch. Es waren die Augen, die sie verrieten. Wenn sie meinen Vater ansah, ganz vergnügt und liebenswert, war ihr Blick unschuldig und liebevoll. Aber wenn man direkt in ihre rötlich braune Tiefe sah, wie ich es tat, schauderte man von dem, was man dort erblickte. Die Botschaft war offenkundig: Jetzt bin ich hier. Es gibt keinen Platz für euch.
    Ihre Stimme war glockenrein. »Deine Tochter, Colum? O wie reizend! Und wie heißt du, meine Liebe?« Ich starrte sie stumm an, während aus meiner Kleidung Dampf aufzusteigen begann.
    »Sorcha, so solltest du dich nicht zeigen!« sagte Vater barsch. »Du beschämst mich, in einem solchen Zustand vor deiner Mutter zu erscheinen. Verschwinde, säubere dich, und dann komm zurück. Du machst mir keine Ehre.«
    Ich sah ihn an. Mutter?
    Lady Oonagh brach das unbehagliche Schweigen mit perlendem Lachen. »Ach, Unsinn, Colum, du bist zu hart mit dem Kind. Siehst du, jetzt hast du sie verletzt! Komm, meine Liebe, wir nehmen dir diesen nassen Umhang ab, du musst dich am Feuer wärmen. Wo um alles in der Welt bist du gewesen? Colum, ich kann nicht glauben, dass du sie einfach so umherrennen lässt – sie könnte sich den Tod holen! Schon besser, Kleines – oh, du schauderst ja. Später werden wir uns unterhalten, nur du und ich – ich habe ein paar hübsche Dinge mitgebracht, und es wird solchen Spaß machen, etwas auszusuchen, das du bei der Hochzeit anziehen kannst. Grün, denke ich. Ich fürchte, deine Garderobe ist sehr vernachlässigt worden.« Abschätzend betrachtete sie mein Kleid aus selbstgesponnener Wolle, mein abgetragenes Oberkleid, das viele alte Flecken hatte: Holundertinktur, Rosmarinöl und Blut.
    Ich setzte dazu an, etwas zu sagen, aber die Worte blieben aus, und stattdessen spürte ich, wie mich große Müdigkeit überkam. Ich gähnte gewaltig.
    »Sorcha!« tadelte Vater. »Das ist wirklich zu viel! Kannst du nicht …« Aber wieder unterbrach sie ihn in angeblicher Besorgnis.
    »Du armes Mädchen, was hast du nur getan?« Ihr Arm um mich war eine eisige Fessel. »Komm schon, du musst dich ausruhen – wir haben später Zeit, uns zu unterhalten. Dein Bruder kann dich in dein Zimmer bringen, du bist ja todmüde – Diarmid, mein Lieber?«
    Und erst jetzt wurde mir klar, dass mein Zweitältester Bruder die ganze Zeit dort gewesen war, im Schatten hinter Lady Oonaghs Stuhl. Er trat vor, begierig zu helfen, und nahm mich am Arm. Sie warf ihm unter langen Wimpern einen Blick zu.
    Diarmid schwatzte auf dem ganzen Weg zu meinem Schlafzimmer auf mich ein. Wie wunderbar sie war, wie lebhaft und jugendlich, wie erstaunlich es war, dass eine solch schöne Frau zugestimmt hatte, Vater zu heiraten, der immerhin nicht mehr der Jüngste war.
    »Vielleicht hatten Reichtum und Macht etwas damit zu tun«, wagte ich, meinen Bruder zu unterbrechen.
    »Also wirklich, Sorcha«, tadelte Diarmid. »Höre ich da etwa eine Spur von Eifersucht? Du warst auch nicht glücklich über Liams Verlobung, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht möchtest du die einzige Dame des Hauses sein, ist es das?«
    Verärgert wandte ich mich ihm zu. »Kennst du mich wirklich so wenig? Eilis ist zumindest – harmlos. Diese Frau da ist gefährlich; ich weiß nicht, warum sie hier ist, aber sie wird unsere Familie zerstören, wenn wir das zulassen. Du bist vollkommen ihrem Bann verfallen, ebenso wie Vater. Du siehst sie nicht wirklich – du siehst eine Art von … Ideal: ein Phantom.«
    Diarmid lachte mich aus. »Was weißt du schon? Du bist nur ein Kind. Und außerdem kennst du sie kaum. Sie ist eine wunderbare Frau, kleine Schwester. Vielleicht wirst du jetzt, wo sie hier ist, wie eine Dame aufwachsen.«
    Ich starrte ihn an, zutiefst gekränkt von seinen Worten. Schon begann das Muster unserer Existenz um mich herum zu zerbrechen. Wir hatten einander endlos geneckt, hatten gewitzelt und gestritten, wie Brüder und

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