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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Soldaten wie den, den ich gefunden habe, verloren zu haben; es ist also mindestens wahrscheinlich, dass er bei zwei Gelegenheiten in meinem Zimmer war. Wenn nicht öfter.«
    »Das könnte ich mir sogar vorstellen. Es war schließlich früher sein Zimmer.«
    »Wirklich? Du meine Güte, das wusste ich nicht.«
    »Ich frage mich, ob er sich daran erinnert«, murmelte Henry.
    »Ich glaube schon – das wäre jedenfalls eine Erklärung. Zumindest dafür, warum er hereingekommen ist.«
    »Vielleicht«, antwortete Henry. »Aber auch aus meinem Zimmer sind Sachen verschwunden.«
    Inzwischen standen sie auf dem Treppenabsatz und sie drehte sich besorgt zu ihm um. »Wirklich? Was denn?«
    Er zögerte; offensichtlich war er verlegen. »Ein Fläschchen Parfum, das meiner Mutter gehört hat.«
    Sie starrte ihn an. »Parfum?«
    Er verteidigte sich: »Ich habe nur noch sehr wenige Dinge von ihr, die mir helfen, mich an sie zu erinnern.«
    Sie sagte rasch: »Ich wollte mich nicht über Sie lustig machen. Ich habe auch ein paar Sachen von meiner Mutter. Ich dachte nur gerade an das Parfum, das ich nach den nächtlichen Besuchen in meinem Zimmer gerochen habe.«
    »Ja, daran habe ich auch gedacht«, sagte er, während sie weitergingen. »Ich habe es in Adams Zimmer nirgends finden können. Aber ich muss zugeben, dass ich ihn nicht danach gefragt habe. Und sonst auch niemanden …«
    »Ob Adam in jener Nacht Klavier gespielt hat?«, sann Emma. »Lady Weston beharrt darauf, dass es Julian war, aber er äußert sich nicht gerade klar dazu.«
    »Hat der Betreffende gut gespielt?«
    »Sehr gut.«
    »Haben Sie bei Adam auch nur die leisesten Anzeichen für eine musikalische Begabung entdeckt?«
    Sie dachte nach. »Nein …«
    »Immer wieder die gleiche Note anzuschlagen ist wohl kaum ein Hinweis darauf.«
    »Das stimmt«, gab sie zu, als ihr Henrys Beschreibung der Szene einfiel. »Aber wir wissen, dass er gern … grausame … Dinge zeichnet.«
    Er zog die Brauen hoch. »Ja.«
    Emma fuhr fort. »Aber die Königin auf der Zeichnung sieht genau aus wie die, die in meinem Schachspiel fehlt. Und hier könnte sie niemand gesehen haben, außer …«
    »Außer mir.«
    »Ja. Es tut mir leid, aber …«
    »Das braucht es nicht. Mir tut es leid. Ich habe sie genommen. Ich hatte sie die ganzen Jahre. In der gleichen Erinnerungsschachtel, in der ich auch das Parfum meiner Mutter aufbewahrt habe. Leider ist beides vor etwa einer Woche verschwunden.«
    Emma war fassungslos angesichts seines Geständnisses. Das bedeutete, dass jeder die Königin gezeichnet haben konnte. Ängstlich fragte sie: »Warum haben Sie sie genommen?«
    »Um Sie zu ärgern. Ich hätte es nicht tun dürfen, das weiß ich; ich hoffe, Sie vergeben mir.«
    »Natürlich.«
    Er neigte den Kopf und blickte sie unter einer dichten Mähne dunkler Locken hervor an. »Haben Sie wirklich gedacht, ich könnte das Bild gezeichnet haben?«
    Emma schluckte einen Kloß der Beschämung, der in ihrer Kehle steckte, herunter und hob das Kinn: »Ich muss gestehen, der Gedanke ist mir durch den Kopf gegangen. Aber das können Sie mir wohl kaum zum Vorwurf machen, oder? Schließlich wussten Sie, wie die Figur aussieht, und haben mir von früher her allen Grund gegeben, Sie zu verdächtigen.«
    Er holte tief Luft. »Da haben Sie wohl recht. Aber das ist lange her; jetzt habe ich keinerlei Interesse mehr daran, Ihnen Streiche zu spielen oder Sie zu erschrecken. Und ich habe erst recht keine unehrenhaften Motive, das versichere ich Ihnen.«
    Seine warme Stimme stellte seltsame Dinge mit Emmas Magen an. Sie blinzelte, unfähig, seinem Blick standzuhalten.
    »Emma, sehen Sie mich an.«
    Sie zwang sich, in seine bemerkenswert grünen Augen zu blicken, und sah die Aufrichtigkeit, die darin brannte.
    Er sagte: »Sie haben mein Wort, Emma. Ich war es nicht.«
    Er hatte sie Emma genannt. Sie mochte den Klang ihres Namens auf seinen Lippen. Sie nickte und sagte: »Ich glaube Ihnen.«
    »Gut.« Er atmete auf. »Dann wollen wir herausfinden, wer es getan hat.«
    Henry begann damit, dass er erst einmal zu Adam ging, allein. Doch statt des beiläufigen Besuchs, den er geplant hatte, beschloss er, ihn nach den fehlenden Sachen … und eventuell auch nach seinen Missetaten zu fragen. Es widerstrebte ihm zutiefst, Adam zu beschuldigen, doch es war nicht zu umgehen.
    Henry wusste, dass er Miss Smallwood schon viel früher hätte gestehen müssen, dass er die Schachfigur genommen hatte, aber er hatte es immer wieder

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