Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
Vom Netzwerk:
gesagt?«
    Henry hatte einen Stallburschen mit einer Nachricht zu Mr Bray geschickt. Der grauhaarige Wachtmeister kam eine Stunde später zu Pferd zur Landzunge herauf. Er stieg ab und ergriff Henrys Hand. Dann begutachtete er den Schaden eingehend, schüttelte den Kopf und sagte, er würde tun, was in seiner Macht stehe; doch er hatte wenig Hoffnung, dass er die Täter identifizieren und der Gerechtigkeit zuführen konnte.
    Der Wachtmeister stieg gerade wieder aufs Pferd, als Miss Smallwood hinzutrat und sich neben Henry stellte.
    Er blickte zu ihr hinunter, beschämt, weil sie Zeugin geworden war, wie das Projekt, auf das er noch gestern so stolz gewesen war, gescheitert war. Er hatte nicht daran gedacht, Wachtposten aufzustellen; seiner Ansicht nach hatten Julian und Rowan die Gefahr überschätzt.
    Als er Emmas freundlichen, besorgten Blick sah, wandte er die Augen ab und sah stattdessen Mr Bray nach, der sich auf dem Küstenpfad entfernte. Er nickte in seine Richtung. »Da reitet der mutigste Mann, den ich kenne.«
    »Wirklich? Inwiefern?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass die meisten Menschen es für zu gefährlich halten, auf die mörderische See hinauszufahren, um Seeleute zu retten. Mr Bray hat das schon unzählige Male getan.«
    Gemeinsam blickten Henry und Miss Smallwood dem Mann nach. Seine allenfalls durchschnittliche Statur und sein graues Haar ließen nicht vermuten, dass er zu solchen Heldentaten fähig war.
    Sie fragte: »Was hat er zu dem Turm gesagt?«
    Henry stieß die Luft aus. »Er wird Nachforschungen anstellen. Doch auch wenn er herausbekommt, wer es war, wird es schwer zu beweisen sein und noch schwieriger, ein Gericht zu finden, das die Verantwortlichen verurteilt.«
    Miss Smallwood öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sagte schließlich: »Wie gut kennen Sie Mr Teague?«
    Er drehte sich um und sah sie an. »Eigentlich nur vom Hörensagen. Warum?«
    »Ich traf ihn in Mr Davies' Büro, als Sie gerade den Turm bauten. Er hat prophezeit, dass er nicht lange stehen würde.«
    Henry nahm das erst einmal nur zu Kenntnis, er wollte später darüber nachdenken. Mit Bedacht sagte er: »Eine solche Voraussage macht ihn noch nicht zum Schuldigen. Julian und Rowan haben das auch gesagt und Lady Weston ebenfalls. Wir wussten alle, dass es nicht gerade ein populäres Projekt ist.«
    Sie nickte. »Ändert das Ihre Pläne, ihn wiederaufzubauen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Er wird wiederaufgebaut. Aber ich werde einen Steinmetz einstellen, der mir einen Turm hinstellt, so fest wie die Chapel of the Rock. Dann wollen wir doch mal sehen, ob die Hundesöhne den auch umhauen.«
    Schweigend standen sie ein Weilchen da. Über ihnen flogen die Seemöwen in Zweier- und Dreiergruppen über die Klippen, die Sonne schien – das alles passte überhaupt nicht zu der düsteren Szenerie. Die anderen Schaulustigen hinter ihnen verloren das Interesse und gingen zum Haus zurück.
    Henry holte tief Luft. »Darf ich Ihnen meine liebste Schiffbruchgeschichte erzählen?«
    Sie blickte zu ihm auf. »Natürlich.«
    Er dachte an die letzte, grausame Geschichte, die er ihr erzählt hatte, und sagte: »Keine Angst, diese Geschichte hat ein glückliches Ende. Und ein sehr moralisches.«
    »Ein moralisches?«, fragte sie überrascht. »Sie ist also eine erfundene Geschichte, so wie Äsops Fabeln?«
    »Nein. Es ist eine wahre Geschichte. Mr Bray hat sie mir selbst erzählt.«
    »Dann erzählen Sie.«
    Er nickte und konzentrierte sich. »Ein Schiff aus Amerika, beladen mit gesalzenem Fisch und Öl, erlitt hier, direkt vor der Chapel of the Rock, Schiffbruch.« Er deutete mit dem Kinn auf das ferne Wahrzeichen. »Zu dem Zeitpunkt, als das Schiff auflief, waren der Kapitän und seine Frau beim Beten in ihrer Kabine. Einer der Seeleute sah sie dabei und fragte: ›Ist jetzt wirklich ein guter Zeitpunkt zum Beten? Sie sollten lieber Ihr Leben retten.‹ Und dann verfluchte er sie.
    Kurz darauf brach das Schiff auseinander. Die Kabine wurde ein Stück weit auf den Felsen hinaufgeschoben und die Masten fielen auf die Kapelle, sodass der Kapitän, seine Frau und viele von den Seeleuten über die Masten ans Ufer klettern konnten. Fast alle wurden gerettet, bis auf den verbitterten Matrosen, der den Kapitän verflucht hatte, weil dieser betete. Er ertrank und mit ihm noch ein zweiter, kräftiger Matrose.«
    Emma nickte. »Ich verstehe, dass ein Mann wie Sie, der selbst regelmäßig betet, diese Geschichte mag.«
    Ihm entging nicht der

Weitere Kostenlose Bücher