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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Krankenbetten? Wenn man mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert wurde und der Ewigkeit, die nach dem Tod kam?
    Sie watete durch das Wasser, mit langsamen, mühevollen Schritten, behindert durch ihre vollgesogenen, schweren Röcke, die Augen fest auf die Henrys gerichtet.
    Eine weitere Welle schoss durch das Fenster und schlug Emma ins Gesicht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, zu vielen, um sie fortzublinzeln, und Salzwasser – kaltes und warmes – lief ihr übers Gesicht. Da sah sie, dass auch seine Augen sich mit Tränen füllten. Und irgendwie wusste sie, dass er nicht seinetwegen, sondern ihretwegen weinte.
    Sie streckte die Hand aus und legte sie in seine. »Gut«, flüsterte sie, »ich verstehe.«
    Zusammen drehten sie sich zu dem Becken um. Henry betrachtete es und schätzte die Höhe ab. »Ich werde Sie hochheben.«
    »Ich bin zu schwer.«
    »Unsinn.« Er legte die Hände an ihre Taille, deren Schlankheit dadurch, dass sie seine Jacke trug, weniger spürbar war. Dann hob er sie an, was ein wenig mühsam war, weil ihre Kleidung sich so voll Wasser gesogen hatte; dennoch fiel es ihm nicht schwer.
    Ein paar Augenblicke saß sie oben auf dem Becken, seine Hände lagen noch um ihre Taille, ihre auf seinen Oberarmen. Ihr Gesicht befand sich einige Zentimeter über seinem; es gefiel ihm, zu ihr aufzublicken.
    Hatte er das nicht immer getan?
    Das Wasser erreichte die Oberkante seiner hohen Stiefel und lief hinein. Er schauderte unwillkürlich zusammen.
    »Sie müssen auch hier heraufkommen«, sagte sie. »Sie frieren.«
    »Der Platz reicht nicht für zwei; außerdem geht es mir gut.«
    »Ich bestehe darauf, Mr Weston. Ich werde auf keinen Fall hier oben wie auf einem Thron sitzen, während Sie im kalten Wasser stehen. Sie holen sich ja den Tod!«
    Sie verzog den Mund, verärgert über ihre unglückliche Wortwahl. Dann raffte sie ihre Röcke zusammen. »Geben Sie mir Ihre Hand«, befahl sie.
    »Ja, Madam. Es ist mir ein Vergnügen!«
    Sie stützte sich auf seiner ausgestreckten Hand ab, stellte sich etwas unbeholfen auf das Brett und ließ ihre Röcke wieder los.
    »Vorsichtig!«, warnte er.
    Doch da stand sie schon, erleichtert, dass sie nicht kopfüber vom Brett gefallen war. »Gut«, meinte sie. »Jetzt sind Sie dran.«
    Er wollte protestieren: »Ich glaube nicht, dass …«
    Sie streckte ihre Hand aus. »Bitte.«
    Irgendetwas in ihrem Blick erstickte seine weiteren Einwände. Er überlegte, wie er am besten auf das Becken steigen konnte, ohne sie hinunterzustoßen.
    Seine Beine waren lang genug, dass er einen Fuß auf die Kante des Beckens setzen konnte. Das Wasser machte seinen anderen Fuß sehr schwer, doch wenn er sich fest genug abstieß und gleichzeitig mit den Händen hochzog, müsste er es schaffen.
    Emma ließ nicht locker: »Nehmen Sie meine Hand, dann ziehe ich Sie hoch.«
    »Ich fürchte, dabei würde ich Sie nur mit herunterreißen.«
    »Ich habe einen guten Stand. Lassen Sie mich Ihnen helfen.« Sie grinste. »Versuchen Sie nur, senkrecht zu bleiben, damit Sie mich nicht mit Ihrem großen Kopf hinunterstoßen.«
    Er grinste ebenfalls zu ihr hoch. »Ja, ein Wunder, dass ich immer Hüte gefunden habe, die groß genug waren.«
    »Ich nehme an, Ihr Hutmacher wird sehr gut bezahlt.«
    Er legte seine Hand in ihre, warnte sie jedoch: »Wenn ich falle, lassen Sie mich los. Haben Sie gehört? Ich will nicht, dass Sie mit mir zusammen fallen; dann muss ich Sie nur wieder hochheben.«
    Welche Ironie, dass sie einander in einer solchen Lage neckten. Aber besser, als sich anzugiften und zu jammern, dachte sie. Ja, sehr viel besser.
    Er stieß sich mit einem Fuß und einer Hand ab, ließ sich gleichzeitig von Miss Smallwood hochziehen und schaffte es tatsächlich, aufrecht auf das Brett zu springen. Dabei bekam er jedoch ein wenig zu viel Schwung und spürte, wie Miss Smallwood nach hinten schwankte. Er schlang seine Arme um sie und drückte sie an sich.
    »D…danke«, stammelte sie.
    Er ließ sie nicht los. Was mussten sie für einen Anblick bieten: zwei erwachsene Menschen, dicht aneinandergedrückt auf einem Taufbecken stehend! »Immerhin, wir haben es geschafft«, sagte er leichthin in dem Versuch, die Spannung der vielen ungesagten Dinge zwischen ihnen und die wachsende Gefahr zu vertreiben.
    »Wirklich?« Sie blickte auf das steigende Wasser hinunter, dann nach oben zu der hohen Decke. »Ein Schritt näher zum Himmel …«
    »Sie wissen doch, dass wir nicht aus eigener Kraft dorthin gelangen

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