Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
…?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Das weiß ich. Ich habe die Predigten in Longstaple nicht allesamt verschlafen, so wie Sie.«
Er musste wieder lächeln. »Das freut mich zu hören.«
Emmas Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Sie flüsterte: »Es tut mir leid.«
»Was denn?«, fragte er.
»Ich habe nicht mit Ihnen gesprochen.«
»Oh …«, hauchte er überrascht.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte keinen Scherz über den Himmel machen dürfen. Ich bin mir nur allzu bewusst, dass ich nicht so bin, wie ich sein sollte. Dass ich es nicht wert bin, Gott schauen zu dürfen, nicht aus eigener Kraft.«
»Kein Mensch ist das«, flüsterte er. »Deshalb hat unser gütiger Gott seinen geliebten Sohn geschickt, der gelitten hat und gestorben ist – um unsere Sünde zu tragen.«
Sie nickte, doch ihr Blick blieb abwesend, ängstlich.
Er holte tief Luft. »Ich weiß nicht, was Sie glauben, Emma. Aber ich weiß, dass Gott Sie liebt und Ihnen vergibt. Und wenn Sie akzeptieren, dass er der Einzige ist, der Sie – der die Menschen überhaupt – retten kann, wird er Sie retten. Vielleicht nicht hier und in dieser Welt, aber in der nächsten. Für immer.«
Sie blickte zu ihm auf und langsam trat ein Lächeln auf ihre Lippen. »Ich glaube, Sie haben Ihren Beruf verfehlt, Henry Weston. Vielleicht hätten Sie zur Kirche gehen sollen.«
Er grinste. »Im Moment wünsche ich mir zwar, ich wäre nicht in diese spezielle Kirche gegangen, aber …«
Sie lachte, obwohl ihr wieder die Tränen in die Augen traten. »Am meisten tut es mir leid wegen meines Vaters. Er hat gerade erst begonnen, sich vom Verlust seiner Frau zu erholen. Und jetzt das.«
Er nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Wenigstens hat er noch seine Schwester«, sagte Emma.
»Ja«, meinte Henry. »Ihre Tante Jane ist eine bemerkenswerte Frau. Ich habe sie immer sehr gemocht.«
»Sie hat Sie auch gemocht.«
»Das einzige weibliche Smallwood-Wesen, das mich damals gemocht hat, fürchte ich. Damals und auch jetzt.«
»Das stimmt nicht«, sagte Emma und senkte verlegen den Kopf.
Henry blickte auf ihre Wangen, plötzlich hochrot in ihrem blassen Gesicht, und spürte, wie eine unerwartete Freude sein Herz wärmte. Vielleicht hatte Emma ihn doch gern! Dann fiel ihm die leichte Blaufärbung ihrer Lippen auf. Vorsichtig, um sie nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, ließ er den einen Arm fest um sie geschlungen, löste den anderen und hob ihn langsam an ihr Gesicht.
Sie sah zu, Unsicherheit im Blick, wie er langsam seine Hand an ihren Mund hob.
»Ihre Lippen sind blau«, flüsterte er.
Sie presste sie zusammen, sodass wieder ein wenig Farbe hineinkam. Aber nicht genug.
Er fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe. Sie bog sich überrascht zurück, sodass er seinen Griff verstärken musste, um sie vordem Fallen zu bewahren. Als sie sich nicht wehrte, zog er langsam die Kontur ihrer Unterlippe nach, dann die ihrer Oberlippe und strich auf diese Weise sanft um ihren Mund, wobei er sich wünschte, dies mit den Lippen tun zu dürfen. So etwas bringt auch nur ein Mann wie ich fertig, sich in einer solchen Lage zu verlieben, dachte er ironisch, ohne jedoch in seinem Tun innezuhalten. Er kehrte zu ihrer Unterlippe zurück, fuhr mit dem Finger über die feste Haut und spürte, wie ihm bei dem Anblick eng um die Brust wurde. Ja, er musste sie küssen.
Er beugte sich vor, blickte ihr in die Augen, und als er keinen Widerstand darin sah, senkte er seinen Mund über ihren.
»Emma …«, hauchte er und ihrer beiden Lippen berührten sich. Unter seiner sanften Berührung wurden ihre kühlen Lippen warm und weich. Er küsste sie wieder, diesmal fester, und spürte, wie ihre Lippen den Druck erwiderten, wie sie ihn ebenfalls küsste. Befriedigung und Freude stiegen in ihm auf. Freude gemischt mit Bedauern. Warum hatte er so lange gewartet?
Er hielt sie fest an sich gedrückt und genoss es, wie ihr langer, biegsamer Körper an seinem dahinschmolz, geschmeidig und fest zugleich und doch an den richtigen Stellen weich.
Sie hob ihre Arme, zwischen ihnen beiden hindurch, und schlang sie in völlig unblaustrumpfhafter Weise fest um seinen Hals, sodass er vergaß, dass er sie jemals für kühl gehalten hatte.
Sein Kuss wurde leidenschaftlicher, ihr Mund schmolz an seinem. Er wollte jede verlorene Sekunde wettmachen, jede verpasste Gelegenheit, in der Vergangenheit und in ihrer Zukunft, die sie wahrscheinlich nicht hatten. Er wollte sie schmecken,
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