Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
dir Miss Lizzie Henshaw vorstellen?«
»Sehr erfreut, Miss Henshaw.«
Auf den fragenden Blick ihres Vaters fügte Emma hinzu: »Miss Henshaw ist Lady Westons Mündel.«
»Ah, ich verstehe. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Der Verwalter drehte sich um und verneigte sich. »Guten Abend, Miss Smallwood. Liz – Miss Henshaw.«
»Mr Davies«, grüßte Emma den Mann, dem sie nur kurz bei ihrer Ankunft begegnet war. Er trug die Kleidung eines Gentleman in schlichtem Schwarz. Sein glatt zurückgekämmtes Haar war noch schwarz, die Koteletten schimmerten bereits silbern. Seine Gesichtszüge waren nach unten gesackt, wie bei einem Bluthund, und sie meinte, aus der Art, wie er redete, einen ihr unbekannten Akzent herauszuhören. Vielleicht schottisch?
Ihr Vater nahm das Glas Sherry, das Mr Davies ihm anbot. »Ich wollte Mr Davies gerade fragen, wann wir Henry zu Gesicht bekommen.« Er wandte sich an Lizzie. »Aber vielleicht können Sie es mir sagen?«
Lizzie warf den Kopf zurück. »Ich weiß es auch nicht. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Wissen Sie es denn nicht, Davies?«
Das Gesicht des Verwalters verzog sich zu einer Grimasse. »Ich … ich«, er räusperte sich, »ich weiß nicht, wann Master Henry zurückerwartet wird; ich glaube, das weiß niemand so genau.«
Lizzie warf Emma einen verzweifelten Blick zu. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass mir niemand etwas anvertraut.« Sie sah den Verwalter mit schmalen Augen an. »Anscheinend nicht mal unser Mr Davies.Nun gut.« Sie nahm die Schultern zurück. »Ich lasse Sie jetzt essen. Tratschen Sie nicht über mich.« Sie winkte, lächelte Emma verschwörerisch zu und wirbelte aus dem Zimmer.
Als sie fort war, setzte Emma sich an den kleinen Tisch. Ein Diener – allem Anschein nach jünger als Julian – trug das Essen auf. Während sie aßen, erzählte Mr Davies ihnen ein bisschen über sich. Er war als Butler in Lady Westons Familie, seit diese ein Mädchen war. Nach ihrer Heirat mit Sir Giles hatte Davies Violet Heale-Weston als Verwalter nach Ebbington Manor begleitet. Er hatte die Aufsicht über die Bücher, die Pächter und die Dienerschaft. Er war verheiratet gewesen, doch seine Frau war vor mehreren Jahren gestorben.
Emmas Vater erwähnte, dass er ebenfalls seine Frau verloren hatte, und die beiden Witwer unterhielten sich leise miteinander, sodass Emma, die müde war von den vielen Aufregungen der letzten Wochen, es sich erlauben konnte, einfach zu schweigen.
Sie entschuldigte sich, sobald die Etikette es gestattete, ging auf ihr Zimmer und klingelte nach Morva, damit sie ihr beim Ausziehen half. Als das Mädchen wieder gegangen war, sank sie dankbar ins Bett – mit ihrem Tagebuch in der Hand, doch sie war eingeschlafen, ehe sie auch nur ein einziges Wort geschrieben hatte.
4
Klugen Mädchen begegnete man voller Misstrauen. Sie wurden als »Blaustrümpfe« bezeichnet – und das war keineswegs bewundernd gemeint.
Sharon Laudermilk und Teresa L. Hamlin,
The Regency Companion
Auch am nächsten Morgen fand Emma das Zimmer ihres Vaters bereits leer vor, als sie kam, und ging allein nach unten. Aus dem Büro des Verwalters drangen leise Stimmen; sie nahm an, dass Mr Davies und ihr Vater zusammen frühstückten. Doch als sie eintrat, saß Mr Davies an seinem Schreibtisch, im Gespräch mit einem Mann, den sie bisher nicht gesehen hatte. Er trug noch Mütze und Mantel.
Nicht sehr höflich von ihm , dachte Emma.
Unter der Tweedmütze des Mannes quoll rotes Haar hervor, das bis auf den Kragen herunterhing und dringend einen Kamm benötigt hätte. Ein Lieferant oder Gutsarbeiter, vermutete Emma, obwohl seine gediegene Kleidung nicht zu der flachen Mütze und dem ungekämmten Haar zu passen schien.
Der Mann sah sie an; sein Blick wanderte von ihrem Gesicht hinunter zu ihrer Brust und wieder hoch. Emma war froh, dass sie ein Schultertuch in ihren Ausschnitt gesteckt hatte – auch wenn es da nicht viel gab, was zu bedecken gewesen wäre.
Mr Davies erhob sich. »Guten Morgen, Miss.«
»Guten Morgen.«
Sie wartete, doch Davies stellte den Mann nicht vor.
Sie zögerte: »Soll ich … zu einem anderen Zeitpunkt wiederkommen? Ich bin wirklich nicht hungrig.«
»Nein, Miss.« Davies sah den Mann vielsagend an. »Der Herr wollte gerade gehen.«
»Bitte, keine Umstände meinetwegen.« Der andere lächelte schelmisch. »Miss – wie war noch mal Ihr Name?«
Doch Mr Davies stellte sie noch immer nicht vor, deshalb beließ es Emma bei einem verlegenen
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