Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
ich den Mund halte.«
Emma war verwirrt, sah jedoch, wie Lizzies Gesicht sich verschloss, und wollte nicht weiter in sie dringen.
Stattdessen sagte sie: »Darf ich fragen, Lizzie, wie du Lady Westons Mündel geworden bist?«
Lizzie ließ einen Moment den Kopf hängen, sodass Emma schon fürchtete, sie hätte ein trauriges Thema berührt: »Tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein.«
Lizzie blickte über die Gartenmauer aufs Meer hinaus. »Ist doch ganz klar, dass Sie neugierig sind.«
Emma wartete eine Weile, doch Lizzie sagte nichts mehr. Sie fragte freundlich: »Ist Lady Weston mit dir verwandt?«
Lizzie zögerte. »Nur sehr entfernt.«
Wieder wartete Emma auf eine nähere Erklärung.
Als Lizzie Emma anschaute und ihr erwartungsvolles Gesicht sah, fuhr sie fort: »Lady Weston stellt mich den Leuten als ihr Mündel, die Tochter eines entfernten Cousins, vor.«
»Ich verstehe. Und deine Eltern …«
Lizzie stöhnte. »Müssen wir darüber reden?«
Plötzlich überkam Emma ein Gefühl der Reue. »Nein. Nicht, wenn du nicht willst. Aber ich habe auch meine Mutter verloren. Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.«
Lizzie hob das Kinn. »Du hast immer noch deinen Vater.«
»Ja.« Emma nickte. »Das stimmt.« Sie vermutete, dass Lizzie beide Eltern verloren und Lady Weston sie aufgenommen hatte, vielleicht weil ihr sterbender Vater oder ihre sterbende Mutter sie auf demTotenbett darum gebeten hatte. Das war jedenfalls das Wahrscheinlichste. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass sie beschlossen hatte, sich kein vorschnelles Urteil mehr zu bilden, ganz gleich welcher Art, sondern abzuwarten, bis sie alle Informationen besaß.
Lizzie pflückte eine Schlüsselblume und rollte den Stängel zwischen den Händen. »Wie lange ist Ihre Mutter schon tot?«, fragte sie.
Emma schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. »Fast zwei Jahre.«
Lizzie warf die Blume weg und sagte düster: »Meine ist sehr viel länger fort.« Doch dann hellte ihr Gesicht sich plötzlich auf und sie fragte: »Was halten Sie von Tee und Kuchen? Ich könnte eine ganze Platte voll verdrücken und Sie müssen doch auch hungrig sein nach Ihrem Spaziergang. Wollen wir reingehen und nachsehen, ob wir etwas Essbares finden?«
Emma musste blinzeln angesichts dieses schnellen Themenwechsels und des plötzlichen Stimmungsumschwungs. »Natürlich, wenn du willst«, sagte sie und folgte Lizzie ins Haus.
An diesem Abend kam Emma wieder etwas verspätet zum Abendessen ins Büro des Verwalters, weil Morva vergessen hatte, zu kommen und ihr beim Umkleiden zu helfen. Als sie am Salon vorbeiging, meinte sie, drinnen Stimmen zu hören.
Sir Giles' Stimme: »Irgendeinen Erfolg, Henry?«
»Nein, noch nicht«, antwortete Henry.
»Aber es muss sich doch jemand finden lassen«, sagte Lady Weston. »Im Übrigen verstehe ich einfach nicht, was an Mr und Mrs Dyke nicht recht war.«
Emma blieb stehen und hörte gebannt zu, ein leichtes Schuldgefühl wegen ihres Lauschens ignorierte sie.
»Sie waren zu ernst und zu … kalt.«
»Ich glaube, du machst es uns mit Absicht schwer. Du willst einfach niemand Passenden finden.«
»Ich verstehe nicht, warum wir uns beeilen müssen, nur um unsere Wahl später zu bereuen.«
»Ach nein? Obwohl die Smallwoods bei uns leben und die Penberthys zu Besuch kommen wollen?«
»Nein. Und ich verstehe auch nicht, warum das alles geheim gehalten werden muss.«
»Ich auch nicht.« Das war Phillips Stimme.
»Ihr solltet es aber verstehen«, hielt Lady Weston ihnen vor. »Gerade ihr beide. Euch betrifft es nämlich noch viel mehr als uns andere. Warum soll eigentlich immer ich die Hüterin der westonschen Ehre sein? Eigentlich sollte ich mich auf dich, Giles, oder auf dich, Henry, als ältesten Sohn, verlassen können.«
»Das tun Sie ja auch, Madam«, antwortete Henry trocken. »Ob ich es will oder nicht.«
Du meine Güte , dachte Emma und ging weiter. Sie wusste, dass sie nicht hätte lauschen dürfen und am besten auf der Stelle wieder vergessen sollte, was sie gehört hatte. Stattdessen begann ihr wacher Verstand sofort zu überlegen, was da wohl vor sich ging. Worin das Geheimnis bestand. Emma hatte vermutet, dass Lady Weston etwas verbarg, und sie hatte recht gehabt.
Wieder einmal.
9
In frühchristlicher Zeit wurde der Turm der Winde als Kapelle
oder Taufkirche der nahe gelegenen Kirche benutzt.
Athen: Vom Zeitalter der Klassik bis heute
Er lag da, als sie am folgenden Tag nach dem Abendessen auf
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