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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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sei denn, um einer Arbeit zu entkommen, die man mühselig findet.«
    »Ich sehne mich nur nach ein wenig frischer Luft«, sagte Lizzie. »Ich komme bald zurück und mache weiter. Versprochen.«
    Lady Weston wirkte nicht überzeugt, ließ das Mädchen aber trotzdem gehen.
    Die Damen holten ihre Mäntel und Hauben und verließen zusammen mit Henry das Grundstück. Sie gingen den Küstenweg entlang und folgten der Serpentine hinab zu den Fischerhütten, dem Hafen und dem dahinter liegenden Strand.
    Lizzie begleitete sie bis zum Ufer, doch als sie an die Landzunge kamen, wurde sie erst langsamer und blieb dann stehen. »Geht ihr beiden ruhig. Ich warte hier auf euch.«
    »Komm doch mit, Lizzie«, drängte Emma, die nicht mit Henry allein sein wollte. »Mr Weston sagt, es sei völlig ungefährlich. Und es ist so ein schöner Tag – keine einzige Wolke am Himmel.«
    Lizzie blickte zu der alten Kapelle hinaus. Auf dem aufgewühlten Wasser glitzerte die Sonne, sodass sie die Augen zu Schlitzen zusammenkneifen musste. Hier am Meer war der Wind stärker und blies ihr dünne schwarze Haarsträhnen ins Gesicht.
    »Nein«, meinte sie, »geht ihr nur. Ich warte lieber hier.«
    »Na gut. Wir sind bald zurück«, sagte Henry und bedeutete Emma vorauszugehen.
    Einen letzten beschwörenden Blick an Lizzie gerichtet, drehte Emma sich um und trat auf den felsigen Landstreifen hinaus. Er verlief etwa einen Meter über der Wasseroberfläche und war trocken und fest. Die Augen stets auf den mit Geröll bedeckten Boden gerichtet, suchte Emma sich ihren Weg. Sie wollte auf keinen Fall stolpern und sich vor Henry lächerlich machen. Der Wind war nicht übermäßig stark, erschwerte aber die Konversation, sodass Emma beschloss, ihre Fragen aufzuschieben, bis sie in der Kapelle waren.
    Der Turm stand auf einem Felsen, der ein Stück höher lag als der Weg, dem sie jetzt folgten. Eine Reihe von Steinstufen, schmal und von der Flut glatt poliert, führte zu dem Bauwerk hinauf. Henry überholte Emma, sprang die wenigen Stufen hinauf und bückte sich, um ihr die Hand zu reichen.
    Sie ignorierte die Geste. »Ich schaffe es schon. Danke.« Sie hob ihren Rocksaum ein wenig an, damit sie nicht stolperte, und stieg vorsichtig die Stufen empor.
    Oben blieb sie stehen und blickte zu dem imposanten Achteck aus Sandstein hinauf. Der Turm hatte eine Holztür und trug ein Kreuz auf dem Dach.
    Henry sagte: »Die ursprüngliche Tür war vor ein paar Jahren völlig verrottet. Ich habe sie selbst durch diese hier ersetzt.«
    »Sie haben sie eigenhändig ausgetauscht?«
    »Der Zimmermann unseres Guts hat mir geholfen, sie einzuhängen. Dafür muss man zu zweit sein.«
    »Ich bin nur überrascht, dass Sie so etwas können.«
    »Ich glaube, ich könnte Sie mit vielen Dingen überraschen.«
    Einen Augenblick lang sah sie ihn an und überlegte, was er wohl meinte, doch dann wurde sie verlegen und blickte wieder an dem Gebäude hinauf. »Ich habe das Gefühl, so etwas schon einmal gesehen zu haben.«
    Henry nickte. »Er wurde nach dem Vorbild des griechischen Turms der Winde erbaut.«
    »Ah ja«, sagte Emma. »Ich habe Zeichnungen davon in Vaters Büchern gesehen. Aber warum wurde ausgerechnet an dieser Stelle eine Kapelle errichtet?«
    »Vor Hunderten von Jahren war sie Teil einer größeren Kirche«, erklärte Henry. »Einer Kirche vor Ort für die Einheimischen, in der der Pfarrer von Stratton einmal im Monat Gottesdienst hielt. Doch die Zeit und das Meer haben alles bis auf diese Seitenkapelle und die Halbinsel, auf der wir stehen, erodiert. Der Gemeinderat plant, die Dammstraße zu verstärken und zu verbreitern, und der Landvermesser hat sogar vorgeschlagen, das alte Ding einzureißen. Aber mir widerstrebt dieser Gedanke.«
    Mit diesen Worten hob Henry den Riegel an und öffnete die Tür.
    »Er ist nicht verschlossen?«, fragte Emma.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bewahre den Schlüssel in meinem Arbeitszimmer auf, aber ich finde es nicht richtig, die Tür abzuschließen, obwohl ich scheinbar der Einzige bin, der regelmäßig hierherkommt.« Er trat vor ihr ein, als wollte er ihr beweisen, dass es ungefährlich war, das Gebäude zu betreten.
    Zögernd ging sie ihm nach. Hoffentlich war das nicht wieder einer seiner Streiche. Zur Sicherheit blieb sie zwischen ihm und der Tür stehen. Ihre Halbstiefel schrammten über den Pflastersteinboden. Hier im Turm war es kühl und dämmerig, aber nicht dunkel. Das Sonnenlicht fiel durch vier schmale Fenster, einem in

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